Veranstaltung: | 44. Landesparteitag GRUENE LSA |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Das Programm zur Landtagswahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen- Anhalt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 24.04.2021 |
Eingereicht: | 28.04.2021, 00:07 |
Antragshistorie: | Version 1 |
III Wirtschaft und Tourismus
Text
III Wirtschaft und Tourismus
Unsere Wirtschaft soll für Menschen arbeiten und im Einklang mit der Natur
stehen. Daher messen wir den Erfolg von Wirtschaftspolitik nicht nur am
Bruttoinlandsprodukt, sondern daran, dass es Mensch und Natur gut geht.
Wir denken Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg zusammen, um die Wirtschaft
nachhaltig stark zu machen. Klimakrise, Digitalisierung, Strukturwandel und
Corona-Pandemie zeigen uns deutlich: Ein tiefgreifender Wandel hin zu
Nachhaltigkeit ist nötig. Die Förderpolitik mit EU- und Landesgeldern wollen wir
deshalb stärker an den Kriterien Effizienz und Nachhaltigkeit ausrichten.
Wir wollen unsere Wirtschaftspolitik in der Transformation so gestalten, dass
unser Handeln Mensch und Umwelt weder hier noch anderswo schadet. Darum wollen
wir verbindliche Menschenrechts-, Umwelt-, Sozial-, Arbeits- und
Transparenzstandards in Sachsen-Anhalt und in den globalen Produktionsketten
klima- und sozialgerecht mitgestalten. Handelsabkommen, die diese Standards
verwässern statt erhöhen lehnen wir ab. Ökologisch und ökonomisch nachhaltig
tragfähigen Unternehmungen muss ein Großteil unserer Bemühungen und
Unterstützungen zuteilwerden. Auch wollen wir eine erfolgreiche Wirtschaft mit
guten Arbeitsplätzen und tarifgebundenen Löhnen. Bestehende Wirtschaftsprogramme
wollen wir daher überprüfen und im Sinne von nachhaltiger Innovation und
Investitionen auf den Mittelstand ausrichten.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsstruktur ist in besonderem Maße von klein- und
mittelständischen Unternehmen bestimmt. Der ostdeutsche Strukturwandel der
1990er Jahre hat zum Verlust weiter Teile der industriellen Basis im Land
geführt. Er prägte die Lebenserfahrung vieler Menschen in Sachsen-Anhalt und
wirkt sich noch heute in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres
Bundeslandes aus.
Die anstehenden weltweiten gesellschaftlichen Veränderungen, die mit der
Notwendigkeit des Einsatzes gegen die Klimakrise sowie mit der Mobilitäts-,
Agrar- und Energiewende aber auch mit der Digitalisierung einhergehen, sind zwar
auch für Sachsen-Anhalt eine Herausforderung, sie sind aber vor allem Chance.
Sie eröffnen Möglichkeiten, Neues hier zu entwickeln, Sachsen-Anhalt zum
Standort für zukunftsweisende Lösungen, Technologien und Branchen zu machen.
Auch daher wollen wir in Wissenschaft und Forschung investieren, eine lebendige
Startup-Kultur entwickeln und Heimat für Innovationen sein. Der weltweite
Strukturwandel bietet uns die Chance aus unserer Kleinteiligkeit zu wachsen und
eine neue, breit aufgestellte wirtschaftliche Basis zu gewinnen.
Green Economy fördern und ansiedeln
Wir wollen eine umweltfreundliche, ressourcenschonende und verantwortungsvolle
Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Diese Anforderungen sind Motor und Inkubator für
Innovation. und Sie steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Mit einem Förderprogramm
GreenInvest wollen wir Wirtschaft und Unternehmen auf dem Weg zu
Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität fördern. Der Weg
aus der Struktur- und Coronakrise muss nachhaltig sein.
Sachsen-Anhalt soll ein Energieland bleiben. Es hat Potential, sich zum Cluster
für erneuerbare Energien und grüne Technologien zu entwickeln. Deswegen wollen
wir in diesem Sektor eine gezielte Ansiedlungs- und Wirtschaftsförderungspolitik
betreiben sowie die dafür bereitstehenden Mittel effizient einsetzen. Wir sehen
erhebliche Potentiale in der Ansiedlung von umweltorientierten Unternehmen in
der Wasserstoffwirtschaft, der Zulieferbranche für Elektromobilität, der
Kreativwirtschaft, der Bio- und Medizintechnik, der Chemie- und
Kunststoffindustrie sowie bei Informations- und Kommunikationstechnologien. Die
vom Kohleausstieg geprägten Regionen des Strukturwandels müssen die
Bundesförderung insbesondere dafür nutzen. Dort könne neuen Technologien wie 5G
und Grüne Wasserstofferzeugung im Industriemaßstab erprobt werden. Exportchancen
der Energie, Know-How und Technologie sollen sich anschließen. Auf Landesebene
wollen wir daher die Ressourcen für ein landesweites Cluster- und
Ansiedlungsmanagement ausbauen.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsstruktur nachhaltig stärken
Sachsen-Anhalts Wirtschaftspolitik muss wirtschaftlich-industrielle Cluster
stärken und Netzwerke schaffen. In der Konzentration wollen wir Leitmärkte der
vorhandenen Wirtschaftsstruktur weiterentwickeln, stärken und unterstützen, wenn
sie sich insbesondere auch den Prämissen Ressourceneffizienz,
Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität verschreiben. Die Leitmärkte mit
Zukunftspotenzial in Sachsen-Anhalt sind aus unserer Sicht: Energie, Maschinen-
und Anlagenbau, Ressourceneffizienz, Gesundheit und Medizin, CO2-freie Mobilität
und nachhaltige Logistik, Chemie und Bioökonomie, Ernährung und nachhaltige
Landwirtschaft, Kreativ- und Digitalwirtschaft.
Mittelosteuropa ist neben den bestehenden Exportmärkten der Zukunftsmarkt für
die Wirtschaft im Land. Die Wirtschaftspolitik muss dies neben den regionalen
Absatzmärkten im Fokus der Bemühungen halten. Klein- und Mittelständige
Unternehmen wollen wir auf ihrem Gang in ausländische Märkte unterstützen.
Transfer von Wissenschaft in die Wirtschaft ausbauen
Wir sehen unser Leitbild in der grünen und sauberen Produktion. Wir wollen
regionale Unternehmen verstärkt unterstützen, ihre Produktionssysteme dafür
einzurichten und zu verbessern. Dazu wollen wir Wissenschaft und Forschung
Anreize geben, ihre Kompetenzen in diesem Sektor signifikant zu erweitern.
Konkret erreichen wir dieses neben dem Förderprogramm GreenInvest mit der
Förderung kluger Köpfe in einem Landesprogramm, das Promotionen von
Mitarbeiter*innen in kleinen und mittleren Unternehmen über mindestens fünf
Jahre fördert. So erhält eine Person Raum, die Innovation von Morgen im stetigen
Austausch mit der Wissenschaft zu erarbeiten. Wir setzen uns dafür ein, dass
EFRE-Programme und Angebote der Investitionsbank Sachsen-Anhalt zur Förderung
von Forschung und Entwicklung zwischen Unternehmen und Wissenschaft erhalten und
in den Schwerpunktbranchen mit Landesprogrammen ergänzt werden.
Zusätzlich wollen wir das Landesgraduiertenprogramm flexibilisieren und
attraktiver gestalten. Kluge Köpfe wollen wir im Land halten, nachdem sie mit
dem Studium fertig sind, unabhängig von einem Stichtag.
Wir wollen Zukunftsbranchen, die unternehmensnahe Forschung und Entwicklung,
regionale Kooperationen sowie die bedarfsgerechte Aus- und Weiterbildung der
Beschäftigten stärken. Die Förderung muss nachhaltig sein. Kleine und mittlere
Unternehmen sind stark mit ihrer Region verbunden. Sie sorgen für die meisten
der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Hier wollen wir in regionale Wertschöpfung
investieren.
Erfolgreiche Unternehmen brauchen gut ausgestattete und breit aufgestellte
Hochschulen. Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen attraktiver für
Nachwuchskräfte aus Wissenschaft und Wirtschaft machen. Dafür soll der Zugang
zum Landesprogramm „Innovationsassistent“ erleichtert werden, damit es
attraktiver für Nachwuchskräfte aus Wissenschaft und Wirtschaft wird. Zusätzlich
sollen neue Studiengänge zu Künstlicher Intelligenz und anderen Zukunftsthemen
etabliert werden, um diese Attraktivität zu stärken.
Start-Ups gezielt fördern und vernetzen
Wir wollen, dass sich unsere Wirtschaftsförderung an Zukunftsfähigkeit und
Innovation orientiert. Sachsen-Anhalt braucht ein besseres Gründer*innenklima,
in dem Start-Ups und Unternehmensneugründungen gedeihen. Wir haben dafür mit dem
neuen Hochschulgesetz erste Schritte getan und Ausgründungen an Hochschulen
erleichtert. Diesen Weg wollen wir weitergehen.
Staatliches Wagniskapital soll zielgenauer als bisher zur Verfügung gestellt und
auf nachhaltige und zukunftsweisende Technologien und Unternehmen fokussiert
werden. Dabei ist die Lebensphase der Gründer*innen irrelevant, im Fokus steht
ihre Innovation und ihre Geschäftsidee. Zudem soll es noch einfacher auch für
Personalkosten als treibende Kostenfaktoren junger Unternehmen genutzt werden
können. Über die IBG (Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH) wurde in der
Vergangenheit zu sehr in bestehende Strukturen und überkommene Wirtschaftszweige
investiert. Stattdessen soll es eine breitere Landesförderung von Start-Up-
Projekten und Ausgründungen mit einem Gründungskapital von 25 000 Euro geben.
Wir setzen uns auf Bundesebene für einen Zukunftsfonds für Later-Stage-
Finanzierungen ein.
Innovation und Gründung lebt von Neugier, Vernetzung, Austausch und davon Ideen
sprießen zu lassen. Dies geschieht ideal an einem Ort mit einer kritischen Masse
von Akteur*innen. Wir wollen deswegen Start-Ups besser vor Ort und in unseren
Schwerpunktbranchen bündeln. Wir wollen für Sachsen-Anhalt drei große Impact-
Hubs an unterschiedlichen Standorten mit eigenen Schwerpunkten fördern. An jedem
Standort wollen wir zwei bis drei Netzwerk- und Clusterstellen, Hardware zum
Experimentieren und bezahlbare Räume für junge Unternehmen bereitstellen. Damit
folgen wir dem Ansatz der Makerspaces und FabLabs und schaffen Raum für
Innovation. Statt der aktuellen Gießkanne braucht es die Fokussierung und
Bündelung der Ressourcen.
Bewusst wirtschaften
Wir wollen uns für ein Lieferkettengesetz auf Bundesebene einsetzen, das es
ermöglicht, nachzuvollziehen, wie und wo ein Produkt erzeugt wurde. Dabei muss
auch die vorgelagerte Produktion in den Blick genommen werden: Unternehmen
müssen verpflichtet werden, zum einen zu prüfen, inwiefern in ihren Lieferketten
Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen auftreten und zum anderen,
falls nötig, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es muss möglich werden, nachhaltige
und faire Unternehmensführung und Produktion zu zertifizieren und zu prämieren.
Wir wollen das Landesvergabegesetz überarbeiten. Kriterien wie Nachhaltigkeit,
Ökologie, Energieeffizienz und Klimaschutz sowie fairer Handel und soziale
Aspekte wie die Tariftreue sollen wirksamer in Vergabeverfahren Berücksichtigung
finden.
Wir gestalten einen sozialverträglichen Wandel gemeinsam mit Unternehmen und
Arbeitnehmer*innen und deren Interessenvertretungen. Wir stehen zu Tariflöhnen
und Mitbestimmung, damit sich die Beschäftigten einmischen und über ihre
Arbeitsbedingungen mitentscheiden können. Formen der solidarischen
Landwirtschaft sollen besondere Unterstützung erfahren. Auch für sie sollen
Genossenschaften, Sozialunternehmen und gemeinnützige Unternehmen neuer Fokus
der Wirtschaftspolitik im Land sein.
Eltern im Beruf unterstützen
Wir wollen im Sinne moderner Unternehmenskultur Rahmenbedingungen schaffen, die
die Vereinbarkeit von Erwerbs-, Familien- und ehrenamtlicher Arbeit ermöglichen.
Daher begrüßen wir alle sinnvollen Modelle der Arbeitszeitumverteilung. Dies
fängt bei Teilzeitarbeit und Arbeitszeitkonten an, schließt ein Recht auf
Homeoffice – wo immer möglich – ein und geht bis zu tariflicher
Arbeitszeitverkürzung. Als Arbeitgeber sind Land und Kommunen gefordert, durch
moderne und flexible Arbeitszeitmodelle Neueinstellungen von jungen Menschen
möglich zu machen.
Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen muss der Absicherungsfonds
der Versorgungsämter entbürokratisiert und verbessert werden, um den
Arbeitszeitausfall durch Schwangerschaft, Mutterschutz oder Erkrankung des
Kindes abzufedern. Familienfreundlichkeit soll ein Kriterium der Vergabe von
allen öffentlichen Aufträgen sein.
Trotz momentan steigender Arbeitslosigkeit herrscht mittelfristig in Sachsen-
Anhalt ein Mangel an Fachkräften. Deswegen wollen wir Menschen jederzeit die
Möglichkeit zur Qualifizierung, vor allem in Mangelberufen, geben.
Qualifizierung und Weiterbildung in Zukunftsfeldern der Wirtschaft und in der
Verwaltung ist der erfolgreiche Weg, um längerfristige Arbeitslosigkeit zu
verhindern und den Mangel an Erwerbstätigen abzumildern. Arbeitslosigkeit muss
bei ausbleibenden geeigneten Beschäftigungsangeboten konsequent mit
Qualifizierung und individueller Beratung, besserer Unterstützung und
Vermittlung in den Jobcentern begegnet werden. Jugendlichen müssen wir eine
Ausbildungsgarantie geben, die primär auch durch die duale Ausbildung gedeckt
werden soll. Lücken müssen über ein Landesprogramme geschlossen werden.
Recht auf Homeoffice
Die Digitalisierung in der Arbeitswelt bietet vielfältige Möglichkeiten, zum
Beispiel die Arbeitszeit flexibel und familienfreundlich zu gestalten. Die
vielen Potentiale für neue Ideen und neue Wertschöpfung wollen wir nutzen und
auch aus den Erfahrungen während der Coronakrise lernen. Die Arbeit an einem
festen Arbeitsplatz ist in Sachsen-Anhalt nach wie vor die Regel. Doch nicht
erst seit der Coronakrise zeigt sich, dass es neue Formen des Arbeitens an
verschieden Orten gibt. Der Anteil der Menschen, die im Homeoffice arbeiten, hat
sich seitdem erheblich erhöht. Es hat viele Vorteile, selbst über den Arbeitsort
bestimmen zu können: Kürzere oder vollständig entfallende Wegzeiten, damit auch
weniger klimaschädlicher Verkehr und eine bessere Vereinbarung von Beruf und
Familie. Wir finden, dass es selbstverständlich sein muss, von Zuhause aus
arbeiten zu können, wenn keine wichtigen Gründe dagegensprechen. Wir setzen uns
daher für ein Recht auf Homeoffice ein.
Dazu wollen wir engagiert auch in die technische Infrastruktur investieren. Um
insbesondere die ländlichen Räume als Arbeitsort attraktiv zu machen, wollen wir
ein Förderprogramm für Dorfbüros als Coworking-Spaces auflegen. Damit diese
Dorfbüros als attraktive Angebote gerade auch für Arbeitgeber erscheinen, wollen
wir zusammen mit den arbeitsmarktpolitisch Aktiven im Land ein Zertifikat für
Dorfbüros entwickeln. In den ländlichen Räumen kann dies Teil einer Anti-
Landfluchtstrategie sein.
Innenstädte beleben
Zu den Branchen, die von der Coronakrise in besonderer Härte getroffen wurden,
gehören Teile des stationären Einzelhandels, Kunst und Kultur sowie lokale
Dienstleistungsbetriebe wie Friseurgeschäfte, Hotels oder Restaurants. Einige
Geschäfte mussten ihren Betrieb einschränken, viele Läden mussten komplett
schließen. Auch wenn die staatlichen Hilfen einen Teil der Schäden abfedern
konnten, ist die Lage unter anderem für große Teile des stationären
Einzelhandels und der Gastronomie, viele Soloselbstständige, Kleinstbetriebe und
auch für viele Kulturschaffende prekär. Zusätzlich zu den starken
Beeinträchtigungen durch die Pandemie vollzieht sich durch die Digitalisierung
und Globalisierung im Handel ein Strukturwandel, der die Existenz vieler
Einzelhandelsunternehmen und damit die Attraktivität und Funktion der
Innenstädte grundsätzlich in Frage stellt. Hier gilt es gegenzusteuern.
Dazu ist auch ein engagiertes Handeln auf Bundesebene notwendig. Zielführend
wäre hier in Reaktion auf die Coronakrise, aber auch darüber hinaus, ein
Städtebau-Notfallfonds des Bundes in Höhe von kurzfristig 500 Millionen Euro, um
den Leerstand der Ortskerne zu bekämpfen. Auf Dauer müssen die Stärken der
Innenstädte und Ortskerne bewahrt, gestärkt und wiedergewonnen werden, um im
Wettbewerb mit dem Online-Handel bestehen zu können. Vor Ort muss moderne
Stadtentwicklungsplanung für Aufenthalts- und Lebensqualität sorgen. Dazu zählen
neue Verkehrskonzepte und Grünflächen für mehr Lebensfreude in den Innenstädten.
Innenstadtbelebung heißt Aufenthaltsqualität als Begegnungs- und
Kommunikationsraum. Dafür braucht es erhaltene Ortskerne, Sitzplätze,
Schattenspender, offene Bühnen und Kunstelemente sowie Außengastronomie.
Außerdem muss die Kultur dort für Kreativität und Vielfalt gestärkt werden.
Sowohl beim Neubau als auch beim Erhalt von Einzelhandelsflächen hat der
innerörtliche Handel für uns Vorrang vor Standorten auf der „Grünen Wiese“.
Regionalität im Fokus
Wir wollen die regionale Kreislaufwirtschaft stärken. Wir setzen uns dafür ein,
dass mehr Absatzorte für regionale Produkte gefunden werden, beispielsweise im
Lebensmittelhandel oder in Dorfgemeinschaftsläden. Das vom Land geförderte
Online-Angebot zur Direktvermarktung www.marktplatz-sachsen-anhalt.com wollen
wir fortführen und ausbauen.
Wir setzen uns weiterhin für die Gründung und Fortführung von
Dorfgemeinschaftsläden und Dorfgaststätten ein und wollen die von uns
gestarteten Programme fortführen und ausbauen. Gerade dort, wo es keine anderen
Läden (mehr) gibt, erfüllen sie vielseitige wirtschaftliche und soziale
Funktionen. Darüber hinaus wollen wir die Etablierung von Dorfbüros als
regionale Coworking-Spaces unterstützen.
Wir bekennen uns zu den kommunalen Unternehmen im Land und sichern ihre
rechtlichen Rahmenbedingungen. Oft gehören sie zu den größten Arbeitgebern vor
Ort, sind strukturbildend und ein wichtiger Auftraggeber für Handwerk, Handel
und Dienstleistung der Region. Zugleich treten wir aber auch für mehr
Transparenz und Kontrolle ein.
Fachkräftemangel begegnen
Trotz pandemiebedingt steigender Arbeitslosigkeit herrscht mittelfristig in
Sachsen-Anhalt ein Mangel an Fachkräften. Bis 2030 wird durch den demografischen
Wandel die Zahl der Erwerbstätigen nach den aktuellen Prognosen um bis zu 30
Prozent sinken. Ländliche Räume trifft diese noch viel stärker als die
Großstädte. Klar ist: Es braucht Menschen, die die ländlichen Räume mit Leben
erfüllen. Sachsen-Anhalt muss für Menschen attraktiver werden, die ihr Leben
durch Arbeit verbessern wollen. Wir setzen auf eine strategische Anwerbung und
Ansiedlung, wie beispielsweise durch Initiativen mit Stipendien für Studierende
der Medizin oder des Lehramts, Schaffung von kostenfreien Co-Working-
Arbeitsplätzen, Vergünstigungen im ÖPNV und so weiter.
Wir wollen Menschen in jeder Lebensphase die Möglichkeit zur Qualifizierung in
Mangelberufen geben. Es braucht mehr und bessere Qualifizierung und
Weiterbildung in Zukunftsfeldern der Wirtschaft und in der Verwaltung, um
längerfristige Arbeitslosigkeit zu verhindern und den Mangel an Erwerbstätigen
abzumildern. Quereinsteiger*innen müssen bessere Chancen haben, vor allem aber
können wir es uns nicht leisten, junge Menschen ohne Abschlüsse aus dem
Bildungssystem zu entlassen.
Auch die Migration beinhaltet eine große Chance dem Fachkräftemangel zu begegnen
und so die gesellschaftliche Leistungsfähigkeit zu bewahren und zu steigern.
Ausländische Berufsabschlüsse müssen schnell anerkannt, Migrant*innen zügig in
den Arbeitsmarkt integriert werden, unabhängig ihres Aufenthaltsstatus. Das Land
muss für Migrant*innen attraktiver werden und neue Einwohner*innen offen
willkommen heißen. Dazu gehört es auch das Potential der Einwander*innen zu
nutzen, die bereits in unserem Land leben.
Unternehmensübergabe befördern
In Sachsen-Anhalt werden Unternehmensnachfolger*innen immer dringender gesucht.
Zu viele Unternehmen und Beschäftigte sind von dieser Unsicherheit betroffen, da
dort derzeit noch nicht klar ist, wer innerhalb der nächsten Jahre das Ruder
übernehmen wird. Wir wollen diesen Generationenwechsel aktiv unterstützen.
Gemeinsam mit den Kammern und den Unternehmensnetzwerken müssen die Strategien
für erfolgreiche Unternehmensübergaben weiterentwickelt werden. Wir wollen
Fortbildungsprogramme, die eine betriebswirtschaftliche Qualifizierung von
Beschäftigten für die Unternehmensführung ermöglichen.
Mittelstand und Handwerk stärken
Durch ihre dezentrale Struktur sind Mittelstand und Handwerk in ihrer Vielfalt
eine starke Basis für regionale Wirtschaftskreisläufe, Ausbildung, Beschäftigung
und Wertschöpfung vor Ort. Zu ihrer Unterstützung muss das
Mittelstandsfördergesetz modernisiert werden. Wir wollen den Mittelstand und das
Handwerk bei dem Prozess der Digitalisierung und dem sozial-ökologischen Wandel
unterstützen. Die neuen Digitalisierungsprogramme müssen weiter ausgebaut
werden, um die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft zu fördern, damit
die Unternehmen davon profitieren können.
Die Zukunft des Handwerks in Sachsen-Anhalt liegt in guten Arbeitsplätzen durch
gute Aufträge. Ökologischer Umbau, Energiespartechnologien und Denkmalschutz
brauchen den verantwortungsvollen Betrieb, der sich fachlich auf dem neuesten
Stand hält. Hier liegen neue Chancen. Den Meister*innenbrief wollen wir als
eingeführtes Qualitätsmerkmal, das Verbraucher*innen als gute Orientierung
dient, beibehalten. Die in der letzten Legislaturperiode eingeführte
Meister*innengründungsprämie wollen wir fortführen. Mit Ausbildungsverbünden
wollen wir die Attraktivität von Handwerksbetrieben steigern, damit sie ihre
Ausbildungsplätze besetzen können. Daher werden wir diese weiter entwickeln.
Kultur- und Kreativwirtschaft als Wachstumsbranche fördern
Die Kultur- und Kreativwirtschaft kann wie in ganz Deutschland auch für Sachsen-
Anhalt ein wichtiger Motor sein für wirtschaftliche, kulturelle und
regionalplanerische Entwicklungen. Diese innovativen Unternehmen spielen eine
wichtige Rolle in der überregionalen Ausstrahlung wie auch im Leben vor Ort –
oft auch außerhalb der großen Ballungsräume. Sie brauchen neben gezielter
Gründungs- und Ansiedlungsförderung insbesondere auch eine effiziente und mit
den Belangen der Branche vertraute Zusammenarbeit mit Verwaltungen und
Institutionen vor Ort.
Tourismus nachhaltig und naturnah
Unsere Natur- und Kulturschätze vom Harz bis in den Fläming, von der Finne über
Elbe und Saale bis in die Altmark und die fünf UNESCO-Weltkulturerbestätten im
Land sind ein noch nicht vollständig ausgeschöpftes Potential, das es zu
bewahren und nachhaltig für den Tourismus zu nutzen gilt. Der aktualisierte
Masterplan Tourismus des Landes zeigt den Weg für die touristische Entwicklung
des Landes auf. Wir sprechen uns für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums
Tourismus im Bereich der für Tourismus zuständigen Investitions- und
Marketinggesellschaft des Landes (IMG) aus, die eng mit den regionalen
Tourismusverbänden kooperiert.
Natur plus Kultur – Nachhaltige Tourismuskonzepte
voranbringen
Wir wollen einen Tourismus mit den Schwerpunkten Naturerfahrung, sportliche
Betätigung, Kulturerlebnis und Reise in die Geschichte. Dies ist ein
Wirtschaftszweig, der zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen muss. Schon heute
sind bereits zahlreiche Arbeitnehmer*innen in Sachsen-Anhalt direkt und indirekt
in der Tourismuswirtschaft beschäftigt. Sachsen-Anhalt ist in Deutschland für
sein einzigartiges kulturelles Erbe mit fünf UNESCO-Weltkulturerbestätten, sein
Netz von historischen Gärten und Parks sowie die Straße der Romanik bekannt.
Durch sanften und nachhaltigen Tourismus wollen wir die Regionen stärken und die
Umwelt erhalten.
Wir wollen eine nachhaltige Tourismusentwicklung. Qualität geht dabei vor
Quantität. In den touristischen Zentren sind nicht nur immer höhere
Übernachtungs- oder Besuchszahlen das Ziel, sondern eine auf besserer Qualität
beruhende Erhöhung der Wertschöpfung. Tourismus darf nicht auf Kosten der
Menschen und Naturräume gehen. Mit höherer Servicequalität, ökologischer
Ausrichtung und guten Arbeitsbedingungen wollen wir den Tourismus wirtschaftlich
erfolgreicher machen.
Perspektive Naturtourismus
Wir wollen den Naturtourismus in Sachsen-Anhalt als zentralen Baustein der
Tourismusstrategie ausbauen. Das Land soll frühzeitig die Trends erkennen, diese
bündeln und langfristig vermarkten. Die bereits bestehenden Marken wie
„Gärtenträume“ für historische Parks und Gärten und das „Blaue Band“ für
Tourismus an Flüssen und Seen sollen besser finanziell und personell
ausgestattet werden. Das Hauptaugenmerk wird auf Hauptrouten gelegt. Denn das
sichert die qualitativen Standards für die Gäste und erzielt die beste Wirkung
für das Marketing. Das Land soll tiefergehende Markt- und Angebotsanalyse
anstatt beliebigem Aktionismus betreiben, um im Wettbewerb des Naturtourismus in
Deutschland ein unverrückbares und einmaliges Profil zu erhalten.
Sachsen-Anhalt besitzt mit dem „Harz“, der „Weinregion Saale-Unstrut“, dem
„Gartenreich Dessau-Wörlitz“ und der „Altmark“ naturtouristisch bedeutende
Regionen als Marken, deren Profil in der Vernetzung mit den Marken und Themen
des Landes noch weiter gesteigert werden muss. Bedeutsam sind auch unsere
National- und Naturparks sowie Biosphärenreservate und insbesondere das
länderübergreifende Natur- und Erinnerungsmonument „Grünes Band“. Auch hier ist
eine Ausrichtung auf Qualität der Angebote und deren Vermittlung unabdingbar,
wie sie beispielsweise bereits vom Nationalpark Harz und dem Biosphärenreservat
Mittlere Elbe umgesetzt werden.
Wir unterstützen die Bemühungen, dass auch das Biosphärenreservat
„Karstlandschaft Südharz“ baldmöglichst die internationale Anerkennung durch die
UNESCO erhält.
Eine tiefergehende Markt- und Angebotsanalyse, Produktpositionierung und
Qualitätsoffensive muss beliebigem Aktionismus vorangehen, damit Sachsen-Anhalt
im Wettbewerb des Naturtourismus in Deutschland ein unverrückbares und
einmaliges Profil erhält.
Wir setzen uns auch für die friedliche Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide ein.
Sie soll weitgehend für naturverträglichen Tourismus erschlossen werden.
Fahrradtourismus – unsere Stärke
Der Elberadweg ist als unser bekanntester touristischer Radweg ein
überregionaler Magnet für den Radtourismus. Deshalb ist es kein Aushängeschild
für unser Land, wenn zehn Prozent dieses Radweges deutliche bis schwerwiegende
bauliche Mängel aufweisen. Um diesem Zustand entgegenzuwirken, müssen der
Elberadweg sowie weitere landesbedeutsame Radwege in die Landesverantwortung
übernommen werden. Ein durchgängig guter Ausbaustand und eine einheitliche
Beschilderung sollen damit sichergestellt werden.
Ferner wollen wir den Aufbau eines Leitsystems für Radtourist*innen initiieren.
Ein solches System soll Hinweise auf örtliche Tourismusangebote ermöglichen.
Weil die Elektromobilität zukünftig auch den Rad- und Bootstourismus prägen
wird, soll der Aufbau eines Netzes von Ladestationen mit Fördermitteln
unterstützt werden. Wir wollen Fahrradrouten besser vernetzen und eingeführte
Zertifikate wie TourCert oder die Sterneradwege des ADFC weiter stärken. Wo es
noch an Rast-, Reparatur- und Übernachtungsmöglichkeiten mangelt, wollen wir
diese schaffen helfen.
Tourismus – clever vernetzt
Nachhaltiger Tourismus bedeutet auch, dass wir allen Menschen Erholung und
Urlaub ermöglichen. Daher fordern und fördern wir Barrierefreiheit zum Beispiel
durch bessere Kenntlichmachung von Allergenen in der Gastronomie oder die
Zugänglichkeit von Unterkünften. Wir wollen einheitliche
Zertifizierungsverfahren für barrierefreien Tourismus einführen.
Nachhaltig bedeutet aber auch, dass wir Unternehmen unterstützen, die sich
weitere touristische Wirtschaftszweige erschließen wollen. Dazu bieten sich zum
Beispiel die Landwirtschaft oder das Handwerk an. Wir wollen außerdem
mehrsprachige Angebote fördern. Zudem muss sich das Land touristisch besser
digital positionieren und sich damit für neue Interessent*innen öffnen. Zur
Vernetzung gehört auch, dass Wander- und Radwege an ÖPNV-Stationen beginnen. Wir
setzen uns dafür ein, dass Tourismusregionen, wie zum Beispiel der Harz, stärker
länderübergreifend kooperieren.
Im Wassertourismus bietet Sachsen-Anhalt heute schon viele Besonderheiten und
kann mit einigen richtigen Investitionen noch viel für unsere Zukunft
dazugewinnen. Viele Gewässer im Land wie Elbe, Saale und Unstrut sind noch
relativ naturbelassen und liegen an einmaligen Kulturstätten. Dies bietet den
Gästen Abwechslung und macht unser Land zum Ziel von Rad-, Kanu- und
Kulturtourist*innen. Um dieses Potential zu nutzen, wollen wir in die
entsprechende wassertouristische Infrastruktur investieren. Beispielsweise
setzen wir uns für den Erhalt und touristischen Betrieb von Schleusen an der
Saale, die Einrichtung von Umtragemöglichkeiten für Kanus und ein gut
ausgestattetes Netz von wassernahen Raststationen ein.