Veranstaltung: | 44. Landesparteitag GRUENE LSA |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Das Programm zur Landtagswahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen- Anhalt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 24.04.2021 |
Eingereicht: | 28.04.2021, 00:05 |
Antragshistorie: | Version 1 |
II Mobilität
Text
II Mobilität
Wir wollen klimafreundliche Mobilität und lebenswerte Städte und Dörfer mit Raum
für öffentliches Leben und mit möglichst wenig Gestank, Motorenlärm und
herumstehenden Autos. Dafür braucht es mehr als nur eine Abkehr vom
Verbrennungsmotor: Es braucht ein grundsätzliches Umsteuern. Daher setzen wir
uns auf allen Ebenen für eine Mobilitätswende ein. Dafür sollen der Öffentliche
Personennahverkehr (ÖPNV), der Rad- und Fußverkehr – also der sogenannte
Umweltverbund – wie auch Sharing-Angebote ausgebaut und gestärkt werden. Als
langfristige Vision wollen wir, dass Menschen ihre Ziele zu allen Tageszeiten
ohne Auto mindestens genauso schnell und günstig wie mit dem Auto erreichen
können und so die Möglichkeit erhalten, sich die teure Anschaffung eines PKW
sparen zu können. Wir wissen, dass wir zur Umsetzung dieser Vision länger als 5
Jahre brauchen werden, wollen aber jetzt mit einer neuen Mobilitätspolitik für
Sachsen-Anhalt die Weichen für diese Vision stellen und dabei Menschen vor Ort
in die Planung und Gestaltung einbeziehen.
Mobilitätsgarantie für alle
Wir wollen dafür ein Mobilitätsgesetz für Sachsen-Anhalt, das auf den Ausgleich
aller Mobilitätsarten setzt und klare Zielvorstellungen für eine nachhaltige und
verlässliche Mobilität für alle formuliert.
Bisher werden die unterschiedlichen Verkehrsmittel in verschiedenen Gesetzen
geregelt. Wir wollen, dass mit dem Mobilitätsgesetz die Mobilität in ihrer
Gesamtheit betrachtet, geplant und geregelt wird. Damit sollen fortan alle
Mobilitätsarten gleichwertig berücksichtigt und der Umweltverbund gestärkt
werden. Dazu gehören für uns eine allgemeine Mobilitätsgarantie für alle
Bürger*innen, ein landesweiter Anstieg des Umweltverbundes am Modal Split
(Verkehrsmittelwahl) auf über 50 Prozent bis zum Ende der kommenden Wahlperiode
und auf 60 Prozent bis 2030, sowie die „Vision Zero“ (null Verkehrstote).
Um diese Ziele fachlich fundiert umsetzen zu können, wollen wir auf Landesebene
einen Mobilitätsbeirat als beratendes Gremium zur verkehrspolitischen Beratung
der Landesregierung durch Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Fachverbände
einrichten.
Sicher unterwegs sein auf den Straßen im Land
Der Ansatz von „Vision Zero“ also dem Ziel von Null Verkehrstoten ist, dass der
Verkehr sich an den Menschen anpassen muss und nicht umgekehrt. Dafür wollen wir
beispielsweise die Kampagne „Anderthalb Meter“ zur Umsetzung des neuen
Mindestüberholabstandes von Autos gegenüber Radfahrenden von 1,50 m auch in
Sachsen-Anhalt initiieren. Außerdem wollen wir die Arbeit der
Jugendverkehrsschulen langfristig sichern. Die in der auslaufenden Legislatur
erhöhte Förderung wollen wir beibehalten.
Ein wichtiger Beitrag zur „Vision Zero“ besteht im Nachrüsten des Abbiege-
Assistenten bei LKW, der Radfahrende und Fußgänger*innen vor Unfällen bewahrt.
Sachsen-Anhalt soll hier mit gutem Beispiel vorangehen und alle LKW in
Landesbesitz sofort nachrüsten und Neuanschaffungen nur noch mit dem Abbiege-
Assistenten tätigen. In der Folge von Unfällen müssen Unfallstellen genau
untersucht und verkehrstechnische Konsequenzen gezogen werden.
Wir wollen sowohl aktive wie auch passive Verkehrssicherheit fördern und aktiv
einfordern. Für die passive Verkehrssicherheit soll bei Strecken, auf denen die
zulässige Geschwindigkeit (noch) nicht reduziert werden kann, die Trennung der
Verkehrsmittel beispielsweise durch Protected Bikelanes (geschützte Radwege) und
Fuß- und Fahrradbrücken gefördert werden. Auf der Seite der aktiven
Verkehrssicherheit sollte überall, wo es möglich ist, die Geschwindigkeit
innerorts auf 30 km/h begrenzt und an bestimmten Stellen sogar noch weiter
reduziert sowie Shared Spaces angeboten werden. Schönebeck hat bewiesen, wie ein
Stadtkern durch eine attraktive Gestaltung und einen gemeinsamen Verkehrsraum,
der durch Rücksicht und Geschwindigkeitsreduzierung geprägt ist, belebt werden
kann.
Verkehrssicherheitsaudits sind regelmäßig an allen Landesstraßen durchzuführen.
Auch die lückenlose Durchführung von Verkehrsschauen soll durch die obere
Straßenverkehrsbehörde des Landes durchgesetzt und evaluiert werden. Auf
Landstraßen mit Fahrbahnen von weniger als sechs Metern Breitesoll die zulässige
Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt werden.
Wir wollen formalisierte Verkehrssicherheitsaudits nicht nur bei
Unfallhäufungen, Neu- und Umbauplanungen, sondern für den gesamten
Straßenbestand. Sicherheitspotentiale insbesondere vom Fuß- und Radverkehr
sollen zukünftig stärker berücksichtigt werden. Die Richtlinie für das
Sicherheitsaudit von Straßen RSAS 2019 ist konsequent umzusetzen,
Wir werden uns im Bundesrat für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung
einsetzen. Nach österreichischem Vorbild soll den Gemeinden die Ausweisung von
Schulstraßen vor Schulen und Kindergärten ermöglicht werden. Die Schulstraßen
werden während der Unterrichtszeit von parkenden und fahrenden Kraftfahrzeugen
freigehalten. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit tragen auch mehr Kreisverkehre
und die erleichterte Einrichtung von Zebrastreifen bei.
Darüber hinaus wollen wir alle Novellierungen der Straßenverkehrsordnung mit
Verbesserungen für den Radverkehr in Sachsen-Anhalt zügig flächendeckend
anwenden. Beispiele dafür sind die Einführung von Fahrradzonen und des
Grünpfeils ausschließlich für Radfahrer*innen sowie das Verkehrszeichen für
Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen.
Mobilität beginnt zu Fuß
Fußgänger*innen sind die größte und umweltfreundlichste Verkehrsgruppe. Sie tun
etwas für ihre Gesundheit und ihren Geldbeutel. Wir wollen die Gemeinden im Land
dabei unterstützen, das Zufußgehen angenehmer und sicherer zu gestalten. Fehlen
zum Beispiel Zebrasteifen oder klaffen Löcher im Gehweg, ist die Lust am Laufen
rasch dahin. Um das zu Fuß Gehen attraktiver zu machen, wollen wir ein
Förderprogramm für eine sichere und attraktivere Gestaltung von Gehwegen gemäß
den Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) und Verkürzung der
Wartezeiten an Ampeln. Wir wollen ein Aktionsprogramm für sichere
Verkehrsquerungen in Sachsen-Anhalt. Dadurch sollen zusätzliche
Fußgängerüberwege Verkehrsinseln und ähnliches entstehen. Die Richtline für die
Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) die eine Präzisierung
der Einsatzbereiche von Fußgängerüberwegen darstellt ist durch eine eigene
Landesrichtlinie zu untermauern.
Wir wollen, dass Kinder gefahrlos ihre Wohngegend erkunden können und dass
insbesondere der Schulweg sicher ist. Wir fördern Kommunen bei der Umsetzung von
Fußwegkonzepten einschließlich verkehrsberuhigter und autofreier Zonen, die
insbesondere Kinder, ältere und bewegungseingeschränkte Menschen in den Blick
nehmen. Der Fußverkehr ist dabei insbesondere als wichtiger Zubringer zu ÖPNV-
Haltestellen vor Ort zu entwickeln und in den Blick zu nehmen.
Neue Baugebiete sollen von Beginn an verkehrsberuhigt geplant werden. So
entstehen kindersichere Schul- und Freizeitwege sowie emissionsarme Zonen. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass Tempolimits und Verkehrsberuhigungen im
Innenstadtbereich gezielt für mehr Sicherheit sorgen. Den Fuß- und Radverkehr
wollen wir auch über eine institutionelle Förderung der Landesverkehrswacht
Sachsen-Anhalt und eine verbesserte Förderung von Verbänden mit dem Schwerpunkt
im Bereich umweltverträglicher Mobilität stärken. Die Arbeitsgemeinschaft
fahrradfreundlicher Kommunen wollen wir weiterhin fördern.
Gleichzeitig soll die Mobilitätspädagogik qualifiziert werden und in allen
Bildungsbereichen von der Kita bis zur Volkshochschule thematisiert werden. Der
Erlass aus dem Bildungsministerium soll entsprechend überarbeitet werden. Auch
die Ordnungsämter sollen durch die Förderung von Pedelecs für den Ordnungsdienst
und die Polizei mit der Weiterbildung im Hinblick auf die Kontrolle des
Mindestabstands beim Überholen von Radfahrer*innen weiter qualifiziert werden.
Den Radverkehr attraktiver gestalten
Wir sorgen dafür, dass Fahrradfahren attraktiv wird, denn mit dem Fahrrad können
schnell und umweltschonend weite Wege zurückgelegt werden. Darum setzen wir uns
zum Beispiel für mehr und bessere Fahrradwege, geschützte Fahrradspuren und für
die weitgehende Öffnung von Einbahnstraßen für Fahrradverkehr ein. Außerdem
sollen Fahrräder in allen geeigneten öffentlichen Nahverkehrsmitteln und überall
kostenfrei mitgenommen werden dürfen.
Wir wollen die seit der laufenden Wahlperiode auf unsere Initiative hin deutlich
erhöhten Mittel für den Radwegebau weiter erhöhen auf mindestens 15 Mio. Euro
pro Jahr. Damit soll der Anteil des Radverkehrs gesteigert und die Kommunen im
Bereich Fahrradinfrastruktur mit Best-Practice-Beispielen und Weiterbildungen
vorangebracht werden. Die Radwegeförderung soll analog dem Straßenbau
verbindlich gesetzlich geregelt werden.
Wir nehmen dabei vor allem die ländlichen Räume in den Blick und wollen die
Nahmobilität dort stärker forcieren. Wir wollen, dass alle neuen Radwege und
Radverkehrsanlagen verbindlich und regelgerecht nach den Empfehlungen für
Radverkehrsanlagen (ERA 2010) gebaut werden. Damit schaffen wir auch die Basis
für den Durchbruch des Lastenradtransports.
Der Aufbau von Fahrradverleihsystemen auch mit Elektrofahrrädern und
Spezialfahrrädern wie Lastenrädern hat unsere volle Unterstützung. Ziel sollte
ein landesweites touristisches Fahrradverleihsystem sowie Bikesharing in den
Oberzentren sein. Das Kaufprogramm für Lastenfahrräder wollen wir fortführen und
auf eine Fördersumme von einer Million Euro aufstocken. Dabei sollen
ausdrücklich auch gewerblich genutzte Lastenfahrräder förderfähig bleiben.
Sollte ein Lastenrad kostenfrei, beispielsweise durch einen Verein, der
Öffentlichkeit bereitgestellt werden, wird die Förderquote auf 90 Prozent
erhöht.
Darüber hinaus wollen wir den neuen Landesradverkehrsplan konsequent umsetzen
und mit Beginn der neuen Legislatur in einem Radwegebedarfsplan fortführen und
mit klaren Zielvorgaben für dessen Abarbeitung untersetzen. Die für die
Fahrgäste kostenlose Fahrradmitnahme in geeigneten öffentlichen Verkehrsmitteln
wollen wir ausbauen. Um das Fahrrad für Landesbedienstete wirtschaftlich
attraktiver zu machen, setzen wir uns für eine Änderung des
Landesbesoldungsgesetzes ein und wollen ein Angebot für das Fahrradleasing auf
Grundlage per Gehaltsumwandlung schaffen.
Wir wollen Radschnellwege zwischen Magdeburg und Barleben, Magdeburg und
Schönebeck, zwischen Halle und Merseburg, zwischen Dessau und Roßlau sowie
zwischen Halle und Leipzig mit dem Land als Baulastträger. Auch für europa- und
bundesbedeutsame Radrouten (Europaradweg R 1, Elberadweg und Saale-Radwanderweg)
soll das Land Sachsen-Anhalt die Baulast übernehmen, damit deren Planung,
Instandsetzung, Beschilderung und Bewerbung aus einer Hand erfolgt.
Wir möchten den Anteil des Fahrradverkehrs deutlich erhöhen. Dafür sind sichere
Fahrradabstellplätze notwendig. Besonders an den Bahnhöfen, den Schulen und
Hochschulen fehlen oftmals überdachte Fahrradabstellanlagen, an denen die Räder
sicher abgestellt werden können. Deshalb treten wir dafür ein, dass das Land
Sachsen-Anhalt ein Programm auflegt, mit dem die Errichtung von Radstationen an
Bahnhöfen und Schulen gefördert wird, in denen diebstahlsichere und wetterfeste
Abstellplätze, abschließbare Boxen bis hin zu Fahrradparkhäusern mit Reparatur-
Service angeboten werden. Für die Hochschulen, aber auch andere
Landesliegenschaften wollen wir ein Sofortprogramm ausrollen.
Der Sachsen-Anhalt-Takt
Wir wollen Sachsen-Anhalt zu einem Pionierland für moderne Mobilität machen.
Daher wollen wir eine Mobilitätsgarantie für ganz Sachsen-Anhalt einführen.
Damit gibt es im ganzen Land von mindestens 5 Uhr früh bis Mitternacht
mindestens einen Stundentakt in allen Orten mit über 1.000 Einwohner*innen mit
einer verlässlichen und umweltfreundlichen Anbindung – ganz gleich, ob mit dem
Zug, der S-Bahn, Straßenbahn, dem Bus oder flexiblen Angeboten wie etwa einem
Anruf-Sammeltaxi oder durch Ride-Pooling-Lösungen. Im Rahmen der
Mobilitätsgarantie soll für jeden Ort in Sachsen-Anhalt eine klar definierte
Mindestbedienung gelten, die auch bei anfangs geringerer Nachfrage vorzuhalten
ist. Wir wollen, dass jeder Ort mit über 100 Einwohner*innen in Sachsen-Anhalt
mindestens alle zwei Stunden mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar ist. Dafür
wollen wir geeignete Rahmenbedingungen und zielgerichtete Anreize setzen. Nur so
etablieren wir den ÖPNV als gleichwertiges Mobilitätsangebot. Außerdem setzen
wir uns für ein bedarfsgerechtes Nachtliniennetz, das auch zwischen Mitternacht
und 5 Uhr Menschen umweltfreundlich durch Sachsen-Anhalt bewegt, ein.
Der kommunale ÖPNV wird in diesem Zuge zur Pflichtaufgabe der kommunalen
Aufgabenträger. Wir wollen das ÖPNV-Gesetz entsprechend anpassen und dafür
sorgen, dass das Land sich stärker als bisher beteiligt.
Mit dem Sachsen-Anhalt-Takt auf allen Bahnstrecken bis zum Jahr 2026 wird die
Bahn als Rückgrat des Öffentlichen Verkehrs gestärkt und in allen Regionen
Sachsen-Anhalts als vollwertige Alternative zum eigenen Auto etabliert. Wo
Mittel- und Grundzentren in den ländlichen Räumen keinen Anschluss zum Bahn-Bus-
Landesnetz haben, wollen wir dieses Landesnetz soweit ausdehnen, dass es alle
Grundzentren erschließt.
Busse und Bahnen, Nah- und Fernverkehr sollen im Rahmen eines Integralen
Taktfahrplans besser aufeinander abgestimmt werden. Das Grundprinzip ist dabei
immer gleich: Der Bus oder der Zug fährt im Idealfall jede Stunde zur gleichen
Zeit ab. Zubringer- und Anschlussfahrten sind darauf abgestimmt, sodass binnen
zehn Minuten die Reise fortgesetzt werden kann.
Zur Minimierung des Aufwands möchten wir mit den Schulen ins Gespräch kommen, um
die Anfangs- und Endzeiten ihres Unterrichts an den Taktfahrplan anzupassen, so
dass auf einen Teil der zusätzlichen Fahrten im Schulverkehr verzichtet werden
kann.
Den Stundentakt als Standard in den ländlichen Räumen wollen wir auf den
nachfragestarken Bahnstrecken in den Ballungsräumen Halle und Magdeburg mit
einer dichteren Taktung der S-Bahn ergänzen.
Die vom Bund angekündigte Unterstützung für die Einführung eines Taktfahrplans
(Deutschlandtakt) unterstützen wir ausdrücklich und verbinden damit eine
Verbesserung des Angebots etwa mit einem ICE-Anschluss für Magdeburg und einer
deutlich verbesserten Fernverkehrsanbindung des Umweltbundesamtes und des
Bauhauses für Dessau-Roßlau. Die Renaissance der Nachtzüge darf Sachsen-Anhalt
nicht verschlafen. Wir wollen uns im Bundesrat dafür einsetzen, dass das
europäische Nachtzugnetz auch in Deutschland wieder ausgebaut wird. Im
Nachtverkehr sollte eine Ost-West-Verbindung über Magdeburg und eine Nord-Süd-
Verbindung über den Knotenpunkt Halle führen.
Öffentlicher Raum ist mehr wert
Ein durchschnittlicher Parkplatz benötigt knapp 13 Quadratmeter Fläche. Gerade
in den größeren Städten in Sachsen-Anhalt ist der öffentliche Raum ein knapper
werdendes Gut, welches auch für Fahrradständer oder Grünflächen benötigt wird.
Zwar können die Kommunen Parkgebühren erheben, diese sind in Sachsen-Anhalt aber
strikt gedeckelt. Nicht mehr als 50 Cent für die angefangene halbe Stunde dürfen
verlangt werden. Durch diese Beschränkung Seitens des Landes aus den1990er
Jahren können die Parkgebühren nicht einmal an die Inflation angepasst werden.
Während also die Ticketpreise für den ÖPNV regelmäßig steigen, bleiben die
Preise für Parkraum unverändert. Inflationsbereinigt wird dieser sogar immer
billiger. Daher sollen die Kommunen in Zukunft selbst über die Höhe von
Parkgebühren und Anwohner*innenparkausweisen entscheiden. Wir wollen die
Obergrenzen für Parkgebühren als Landesvorgabe abschaffen.
Die dadurch möglichen zusätzlichen Einnahmen sind mit einem kommunalen
Mobilitätskonzept zu untersetzen und grundsätzlich zur Stärkung des Radverkehrs,
des Fußverkehrs und der öffentlichen Verkehrsmittel zu verwenden. Das muss
kommunalaufsichtlich abgesichert werden, damit die Mehreinnahmen nicht im
Gesamthaushalt verschwinden. Um diese Konzeptentwicklung zu befördern, streben
wir eine hälftige Kofinanzierung kommunaler Mobilitätsberater durch das Land an.
Straßen in Städten und Dörfern sollen sicherer und attraktiver werden und zum
Aufenthalt wie zum Einkaufen einladen. Deshalb wollen wir den Kommunen mehr
Gestaltungsräume geben und das Straßengesetz des Landes Sachsen-Anhalt
novellieren. Bisher definiert das Gesetz als Gemeingebrauch der Straße
(einschließlich der Geh- und Radwege längs der Straßen) den fließenden und
ruhenden Verkehr mit Vorrang für den fließenden Verkehr. Der Aufenthalt und das
Verweilen von Personen im Straßenraum sowie die Nutzung des Straßenraums durch
Handel, Gastronomie und Ähnliches muss von einer Sondernutzung zum Bestandteil
des Gemeingebrauchs werden. Aufgrund dessen muss dieser Nutzungsart auch Raum
und Fläche sowie Sicherheit eingeräumt werden. Die Sicherheit von
Fußgänger*innen und Radverkehr muss Vorrang vor dem Autoverkehr erhalten.
Letztlich wollen wir lebendige und verkehrsberuhigte Dorf- und Stadtzentren
fördern, damit statt Durchgangs- und Warenverkehr dort öffentliches Leben
stattfinden kann.
Barrierefreiheit in der Mobilität ermöglichen
Wir wollen, dass der ÖPNV familienfreundlicher und barrierefrei wird. Dies
bedeutet, dass genügend Stellplätze in Bussen und Bahnen für Kinderwagen,
Rollstühle und Rollatoren vorhanden sind. Ein Umstieg auf Bus und Bahn wird erst
dann zur Alternative, wenn es regelmäßige, modern und komfortabel ausgerüstete,
gut aufeinander abgestimmte und verlässliche Linien gibt. Die Kommunen sollen
dabei finanziell unterstützt werden, bestehende Haltestellen des ÖPNV
barrierefrei zu gestalten. Das bisher spärlich genutzte Haltestellenprogramm zur
Schaffung von Barrierefreiheit im ÖPNV ist entsprechend weiterzuentwickeln und
die bisher bereit gestellten Mittel sind mindestens auf zehn Millionen Euro
aufzustocken. Die landesweite Erfassung barrierefreier Haltestellen muss ständig
aktualisiert werden. Darauf aufbauend wollen wir, daß in der Fahrplanauskunft
des Landes die Möglichkeit einer Abfrage barrierefreier Reiseketten
einschließlich Anschlusssicherung zu geschaffen wird, unter Nutzung der
Vorarbeiten der NASA. Auch soll anhand der Erfassung ein Zeitplan zur
landesweiten barrierefreien Gestaltung der Haltestellen aufgestellt werden. Denn
ein barrierefreier Zugang zu den Haltepunkten des ÖPNV wie ein zweisinniges
Auskunftssystem sollen in Zukunft Standard sein.
Bahnhöfe und Haltestellen zu Mobilitätsstationen ausbauen
Wir wollen Bahnhöfe und zentrale Bushaltestellen zu Mobilitätsstationen
entwickeln. Dort sollen alle Verkehrsmittel optimal miteinander verbunden sein.
Neben Bussen und Bahnen können die Fahrgäste dort auf Taxis, Sharing-Angebote,
diebstahlsichere Fahrradabstellanlagen, Fahrrad-Reparatur-Stationen,
Möglichkeiten von Park-and-Ride, Ladestationen für Elektroautos und E-Bikes
sowie Wasserstofftankstellen zurückgreifen, um wirklich von Tür zu Tür mobil zu
sein. Diese Stationen sollen sicher und komfortabel ausgestattet sein, um einen
reibungslosen Umstieg zwischen allen Verkehrsmitteln zu gewährleisten. Zudem
sollte auch begleitende Infrastruktur vorhanden sein, wie freies WLAN, Bänke,
Fahrgastunterstände, Mülleimer und Schließfächer.
Dieser Ansatz ist auch für Schnittstellen des ÖPNV zu realisieren, nämlich durch
regelhafte überdachte Radabstellanlagen sowie verschließbare Fahrradboxen. Um
die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wollen wir eine Bedarfsanalyse
für solche Abstellanlagen durchführen und einen Leitfaden entwickeln, der die
Kommunen bei der Planung und Ausgestaltung von Haltepunkten planerisch
unterstützt. Solche multimodalen Haltepunkte vervielfachen den Einzugsbereich
einzelner Haltepunkte von wenigen Hundert Metern auf mehrere Kilometer und
können gerade für Pendler*innen einen Mehrwert bieten.
Für beide Vorhaben ist das Schnittstellenprogramm konzeptionell neu aufzustellen
und mit mehr Haushaltsmitteln auszustatten. Außerdem muss die Antragstellung
vereinfacht werden. Das Förderprogramm REVITA zur Revitalisierung von
Bahnhofsgebäuden wollen wir weiterführen. Sanierte und belebte Bahnhofsgebäude
stärken erheblich die Attraktivität des Bahnverkehrs.
Ein Auto für viele
Carsharing kann die Flexibilität eines eigenen Autos schaffen ohne dessen teure
Anschaffung, die hohen Fixkosten und den hohen Ressourcenverbrauch. Ein
Carsharing-Auto kann bis zu zehn private PKW ersetzen. Besonders in den
ländlichen Räumen kann Carsharing ein wichtiger Baustein für eine bequeme,
komfortable und umweltschonende Eigenmobilität sein: Immer ein Auto, wenn es
gebraucht wird – aber eben nur dann. Das entlastet den Verkehr, die Kommunen und
den Geldbeutel. Deswegen wollen wir auch in Klein- und Mittelstädten ein
flächendeckendes Carsharing-Angebot unterstützen. Carsharing- sowie Park & Ride-
Angebote brauchen wir vor allem am Stadtrand und an Mobilitätsstationen. Dazu
gehören für uns auch Dorf-Autos im Dorfverbund und Bürger*innenbusse. Dafür
wollen wir mit Beginn der nächsten Wahlperiode das Straßengesetz des Landes
Sachsen-Anhalt novellieren, damit auf öffentlichen Straßenflächen Carsharing
Angebote ausgeschrieben werden können.
Wir wollen separate Stellplätze für Carsharing-Fahrzeuge bereitstellen und
ausweisen und diese von Parkgebühren befreien. Dafür sollen auch alle
Möglichkeiten des Carsharing Gesetzes genutzt werden.
Vereine und Initiativen, die gemeinschaftlich Mobilität, wie etwa einen
Bürger*innenbus organisieren, wollen wir als zusätzliches Angebot unterstützen.
Dazu wollen wir einen Leitfaden entwickeln, vor Ort beraten und ein
Förderprogramm auflegen.
Für Pendler*innen wollen wir die Bildung von Fahrgemeinschaften durch
Pendler*innenparkplätze auch mit Fahrradabstellanlagen, Bonusprogramme in
Fahrgemeinschaften und die Entwicklung einer Open-Source-App auf Basis von
offenen Daten und Schnittstellen für Pendler*innenfahrgemeinschaften
vereinfachen. Ebenso braucht es in den ländlichen Räumen Mitfahrbänke.
Alternative Antriebe voranbringen
Die Mobilität mit alternativen Antrieben, wie das mit Ökostrom betriebene
Elektroauto ist eine Alternative für alle, die weiterhin auf ein Auto angewiesen
sind. Um sie ins Rollen zu bringen, wollen wir den öffentlichen Fuhrpark
schrittweise auf alternative Antriebe umstellen und Sonderparkplätze für
Elektroautos zur Verfügung stellen. Auch Kommunen wollen wir dabei unterstützen,
ihren Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umzustellen. Wir unterstützen und
fördern auch weiterhin aktiv Verkehrsunternehmen bei der Umrüstung ihrer Flotten
in Richtung emissionsarmer beziehungsweise -freier Fahrzeuge, auch um die
Umsetzung der „Clean Vehicles Richtlinie“ (EU-Richtlinie über die Förderung
sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge) durch die Kommunen zu
unterstützen.
Intelligente und bezahlbare Tarife im Nahverkehr
Wir setzen uns für das Ende des Tarifdschungels und für ein bezahlbares und in
allen Verkehrsmitteln gültiges Ticketsystem ein.
Wir wollen beginnen mit einem Kinder- und Jugendticket, das die
Schüler*innentickets, das Schüler*innenferienticket und das Azubiticket
integriert zu einem allgemeinen Ticket für die junge Generation. Denn gerade in
jungen Jahren braucht es erste Erfahrungen mit dem ÖPNV, um diese Verkehrsmittel
in das eigene Mobilitätsverhalten zu integrieren. Schüler*innen, Auszubildende,
Studierende und Jugendliche in Freiwilligendiensten sollen kostenlos fahren
können. In ganz Sachsen-Anhalt und den Tarifgebieten der Verkehrsverbünde.
Sofern dies nicht mittelfristig möglich ist, wollen wir ein Solidar-Ticket für
Sachsen-Anhalt unterstützen und gebündelt mit der Deutschen Bahn verhandeln. Für
Landesbedienstete wollen wir ein bezuschusstes Jobticket anbieten und
Dienstreisen per Fahrrad unterstützen. Dafür setzen wir uns bei den
Verhandlungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ein, damit
dies rechtlich möglich wird. Beschäftigte außerhalb der Landesverwaltung sollen
durch Jobtickets unterstützt werden.
Perspektivisch sollen die bestehenden Verkehrs- und Tarifverbünde fusionieren,
sodass ein Sachsen-Anhalt-Tarifverbund entsteht. Das Land soll als Moderator
aktiv für diesen Ansatz werben. Die angrenzenden Verkehrsverbünde wollen wir mit
Blick auf einen zu schaffenden Tarifverbund Mitteldeutschland (gemeinsam mit
Sachsen und Thüringen) einbeziehen. Auf dem Weg dahin brauchen wir kurzfristig
Tarifkooperationen, um Verbundgrenzen für den Fahrgast faktisch aufzuheben. Wir
wollen eine Verbunderweiterung im Bereich des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes
und von marego, sodass es keine weißen Flecken außerhalb von Verbünden mehr
gibt.
Das Smartphone und die Flatrate sind bei vielen Bürger*innen Standard im Leben.
Wir wollen mit Smartphones und Flatrates besseren Nahverkehr ermöglichen. Wir
wollen die App für die Fahrplanauskunft Sachsen-Anhalt um die Möglichkeit zum
Fahrkartenkauf erweitern, mit der von jedem und in jeden Ort Verbindungen über
Bus, Bahn, Taxi und wo vorhanden Leihfahrrad, E-Scooter oder Carsharing gesucht,
gebucht und bezahlt werden können. Wir wollen für Sachsen-Anhalt eine
tiefenintegrierte und komfortable Mobilitäts-App statt vieler verschiedener.
Neben diesen Verbesserungen innerhalb der bestehenden Finanzierungsystematik
wollen wir Formen einer Drittnutzer-Finanzierung des ÖPNV prüfen und initiieren,
die diesen unabhängiger von Ticketverkäufen macht. Das ist für uns eine der
Lehren aus der Corona-Pandemie. Eine verlässliche und steigende Finanzierung
werden wir brauchen, um etwa die Taktung des ÖPNV spürbar zu verbessern. Auch
die von uns angestrebte Reaktivierung von Strecken verlangt nach einer
tragfähigen Finanzierung. Daher sind neben der öffentlichen Förderung und den
direkten Ticketeinnahmen differenzierte Konzepte für eine „Mobilitätsabgabe“ als
dritte Finanzierungssäule zu erproben.
Ziel ist, dass das Preisniveau im öffentlichen Verkehr so gestaltet ist, dass
die Nutzung des ÖPNV grundsätzlich kostengünstiger ist als die PKW-Nutzung.
Durch eine engere Taktung, vor allem in den ländlichen Räumen, wird der ÖPNV
unschlagbar.
Für alle Dienstreisen von Landesbediensteten soll – soweit Emissionen nicht
durch die Wahl eines klimafreundlichen Verkehrsmittels vermieden werden können –
eine CO2-Kompensation erfolgen.
Die Regionalisierungsmittel des Bundes sind vollständig für den
Schienenpersonennahverkehr bereitzustellen und der kommunale ÖPNV muss
zusätzliche Fördermittel des Landes erhalten. Die Neuausrichtung und Aufstockung
des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) ist zu nutzen, um weiterhin den
Ausbau von Straßenbahnnetzen und zukünftig auch Streckenreaktivierungen zu
fördern. Auch ist die Förderung des ÖPNV mindestens im Rahmen eines Inflations-
und Tarifausgleichs zu dynamisieren.
Neben diesen Verbesserungen innerhalb der bestehenden Finanzierungsystematik
wollen wir Formen einer ergänzenden Finanzierung des ÖPNV prüfen und initiieren,
die diesen unabhängiger von Ticketverkäufen macht. Das ist für uns eine der
Lehren aus der Corona-Pandemie. Eine verlässliche und steigende Finanzierung
werden wir auch brauchen, um etwa die Taktung des ÖPNV spürbar zu verbessern.
Auch die von uns angestrebte Reaktivierung von Strecken verlangt nach einer
tragfähigen Finanzierung. Wir wollen daher eine Grundlagenuntersuchung, welche
die verschiedenen Varianten einer so genannten Drittnutzerfinanzierung
konkretisiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft. Der Mitteldeutsche
Verkehrsverbund hat dazu bereits vor Jahren sechs mögliche Varianten – vom
Bürgerticket bis zum flächenbezogenen ÖPNV-Beitrag – ins Gespräch gebracht. Auf
Basis der Grundlagenuntersuchung wollen wir den Landkreisen und kreisfreien
Städten die Möglichkeit zur Erprobung anbieten und entsprechend einen
Modelllandkreis samt Förderung ausschreiben, damit ein solches Pioniervorhaben
im Land bis 2023 anläuft.
Touristische Modelle wie das Harzer Urlaubs-Ticket (HATIX), die ein Ticket für
die kostenlose Nutzung von Bus- und Straßenbahn in einer Tourismusregion in die
Kurtaxabgaben für Übernachtungsgäste integrieren, wollen wir ausbauen und auch
in anderen Tourismusregionen in Sachsen-Anhalt etablieren. Wir streben
insbesondere eine Ausweitung auf den Schienen-Personen-Nahverkehr auch in
Rücksprache mit Niedersachsen und Thüringen an.
Für den Tourismus ist es elementar wichtig, mit den angrenzenden
Regionenzusammenzuarbeiten. Beispielsweise sollte das Sachsen-Anhalt-Ticket auch
auf angrenzenden Strecken im niedersächsischen Teil des Harzes gelten. Ähnliches
gilt zum Beispiel für Braunschweig und Wolfsburg.
Ausbau des Netzes von Bahn und Bus
Wir setzen uns dafür ein, dass stillgelegte Bahnstrecken, wo das sinnvoll
möglich ist, reaktiviert werden, etwa Schönebeck (Elbe) – Barby – Güterglück,
Halle-Nietleben – Dölau, Halle (Saale) , Naumburg (Saale) Ost – Kaufland,
Naumburg (Saale), Merseburg Hbf – Leipzig Hbf und Wangen (Unstrut) – Artern.
Gleiches gilt für Schienenstrecken, welche derzeit ausschließlich touristisch
genutzt werden. Hier möchten wir prüfen, inwieweit diese nach Vorbild der
Strecke Nordhausen – Ilfeld in Thüringen in den ÖPNV beziehungsweise SPNV
(Taktfahrplan, Gültigkeit des Verbundtarifs) integriert werden können. Dadurch
könnte Verkehr von Straßen auf Schienen umgeleitet werden, ohne neue Trassen
schaffen zu müssen.
Wir setzen uns für einen massiven Ausbau der Kapazitäten im Nahverkehr ein.
Dafür bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Land und den Kommunen,
um die dafür benötigten Beschaffungsinvestitionen in energieeffiziente und
klimafreundliche ÖPNV-Technik wie Wasserstoff- und Elektroantriebe sowie die
Infrastruktur zu finanzieren.
Wir setzen uns dafür ein, noch mehr Eisenbahnstrecken in Sachsen-Anhalt zu
elektrifizieren und dafür zügig ein landesweites Konzept zu erarbeiten. Mit
Mitteln aus dem Strukturwandelfonds des Kohle-Kompromisses soll das
mitteldeutsche S-Bahn-Netz im Süden Sachsen-Anhalts mit der Elektrifizierung der
Strecke Gera – Zeitz – Leipzig ausgebaut wird. Die Neuausrichtung und
Aufstockung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) ist zu nutzen, um
den weiteren Ausbau von Straßenbahnnetzen, und zukünftig auch Strecken-
reaktivierungen und Elektrifizierungsmaßnahmen zu fördern.
Auf den zahlreichen Bahnstrecken ohne Oberleitung sollen zunehmend
umweltfreundliche und leise Zugantriebe wie die Brennstoffzelle oder Züge mit
Akkumulator zum Einsatz kommen, wo eine Elektrifizierung zu teuer ist. Dies
wollen wir durch entsprechende Verkehrsverträge und Förderprogramme erreichen.
Alternative Antriebe im Zugverkehr voranbringen
Unser Ziel ist, 2032 aus dem Dieselbetrieb von Zügen auszusteigen, wenn die
laufenden Verträge mit dem Land enden. Dafür braucht es alternative Antriebe.
Nur rund die Hälfte der Bahnstrecken in Sachsen-Anhalt sind bislang
elektrifiziert. Wir wollen uns beim Bund dafür stark machen, dass mehr Strecken
elektrifiziert werden. Einen Landesplan wollen wir erarbeiten. Priorität sollen
dabei Lückenstrecken haben, also Routen, wo derzeit kurze Abschnitte ohne
Stromleitungen verhindern, dass Elektrozüge fahren können.
Es braucht aber noch mehr für die Abschaffung von Dieselzüge. Insbesondere auf
Nebenstrecken muss das Land auf ökologische alternative Antriebe wie z. B.
Elektrozüge mit Akkus und auf grünen Wasserstoff als Antriebsmittel setzen. Nur
so kann die Bahn ihr Klimaschutzpotential ausschöpfen. Projekte im Land, welche
die Umstellung auf CO2-freie Antriebe vorantreiben, sollen unterstützt werden.
Beispielhaft sei das Projekt TRAINS der Fachhochschule Anhalt genannt.
Vom Land (mit-)finanzierter und bestellter Nahverkehr auf der Schiene und den
Buslinien des Landesnetzes ist grundsätzlich auszuschreiben. Für den Fall eines
Betreiberwechsels von Bahnstrecken soll bereits mit der Ausschreibung
sichergestellt werden, dass mindestens die bisherigen Standards bei der
Entlohnung und den Arbeitsbedingungen auch für den neuen Betreiber weiter
gelten. Auch die Nachnutzung der Fahrzeuge wollen wir in der Ausschreibung mit
vorsehen.
Straßennetz: Erhalt und Ausbau vor Neubau
Sachsen-Anhalt verfügt schon jetzt in vielen Regionen über ein gut ausgebautes
Straßennetz. Leider sind viele dieser Straßen in einem schlechten Zustand.
Anwohner*innen einiger Ortschaften leiden unter einer extremen
Verkehrsbelastung, weil nötige Instandsetzungsmaßnahmen nicht durchgeführt oder
Ortsumgehungen nicht angegangen werden.
Wir setzen auf den Erhalt und die Pflege bestehender Straßen statt auf Neubau.
Wir wollen Streckenführungen und Beschilderungen so gestalten, dass die
Belastung für die Anwohner*innen viel befahrener Straßen gesenkt wird. Werden
Straßen in Ober- und Mittelzentren saniert, müssen im Zuge dessen auch
Radverkehrsanlagen ausgebaut werden.
Wo eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur nachweislich erforderlich ist,
wollen wir als Alternative zu extrem teuren Autobahn-Neubauvorhaben eine
kostengünstigere und am tatsächlichen Bedarf orientierte Sanierung und den
Ausbau vorhandener Straßenverläufe voranbringen. Die Sanierung von Landesstraßen
muss Vorrang vor dem Neubau haben. Hier wollen wir Mittel umschichten, um die
Sanierungsquote zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern.
Neue Autobahnprojekte lehnen wir ebenso ab wie den Ausbau von bestehenden
Autobahnen. Vorhaben, für die bereits ein Planfeststellungsbeschluss besteht,
begleiten wir kritisch. Wir fordern von der nächsten Bundesregierung, den
Bundesverkehrswegeplan nach ökologischen und klimaschutzbezogenen Kriterien,
Bedarfsanalysen sowie Verkehrsschätzungen zu aktualisieren.
In einzelnen Ortslagen, wo der Durchgangsverkehr zur unerträglichen Last für die
Bewohner*innen geworden ist, befürworten wir den Bau von Ortsumgehungen und
anderen Schutzmaßnamen. Dabei ist jeder Eingriff so durchzuführen, dass es zu
einem Minimum an Belastungen für Mensch und Natur kommt. Zudem dürfen keine
Nachteile für den Umweltverbund, zum Beispiel durch größere Wegelängen,
entstehen. Wo Straßen zu groß für den Bedarf sind, müssen auch ein Rückbau und
eine Rückgewinnung von Naturflächen möglich sein.
Auf den Autobahnen wollen wir den landesrechtlichen Spielraum ausnutzen, um
Tempo 130 als Höchstgeschwindigkeit festzulegen. Auf Bundesebene setzen wir uns
für ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen ein, um die Anzahl und
Schwere von Unfällen zu senken sowie einen Beitrag zur Reduzierung des
Kraftstoffverbrauchs und damit zum Klimaschutz zu leisten.
Wir gehen mit öffentlichen Mitteln sorgsam um und wollen die knappen Ressourcen
lieber in den Erhalt unserer Landes- und Kreisstraßen sowie in
Fahrradinfrastruktur stecken. Angesichts der knappen Haushaltsmittel des Landes
für den Straßenbau soll auf einen Neubau von Landesstraßen grundsätzlich
verzichtet und im Bereich der Landesstraßen vorrangig die Unterhaltung des
bestehenden Straßennetzes verbessert werden.
Wir fordern darüber hinaus ein Programm zur Erhaltung und Vervollständigung der
Alleen in Sachsen-Anhalt und ein Modellprojekt zur Umsetzung von
Lärmschutzmaßnahmen an Landesstraßen.
Elektromobilität und Autonomes Fahren gezielt fördern
Wir benötigen eine verdichtete Ladesäuleninfrastruktur auf Basis Erneuerbarer
Energien. Unsere Zielstellung ist eine öffentliche Lademöglichkeit alle zehn
Kilometer. Der Umstieg auf emissionsfreie Elektromobilität gelingt nur mit einer
gut ausgebauten öffentlichen Ladeinfrastruktur und der Bereitstellung von
offenen Daten der Standorte, technischen Merkmale und Echtzeitnutzung der
Ladestationen. Mit diesem Ansatz wollen wir die Möglichkeiten schaffen, dass bis
2030 rund 30 Prozent der PKW im Land über einen alternativen Antrieb verfügen.
Öffentlich geförderte oder installierte Ladeinfrastruktur sollte aus Ökostrom,
bevorzugt durch regionale Energieversorger oder Bürger*innenstrom, gespeist
werden. Das Land muss mit gutem Beispiel vorangehen und an öffentlichen Gebäuden
barrierefreie Ladeinfrastruktur für Pedelecs und E-Autos bereitstellen, die
sowohl von Mitarbeiter*innen privat und dienstlich als auch öffentlich genutzt
werden kann.
In der Bauordnung wollen wir den verbindlichen Bau von Ladestellplätzen
festschreiben sowie eine Vorgabe zur Verlegung von Leerrohren bei Neubauten von
Immobilien oder Parkplätzen, um eine Nachrüstung in Sachen Ladeinfrastruktur
leicht zu ermöglichen.
Das Förderprogramm zur Installation von Ladeinfrastruktur sollte ausdrücklich
auch Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz beinhalten. Darüber hinaus sollte ein
zusätzlicher Zuschuss gezahlt werden, wenn Photovoltaik und Ladeinfrastruktur am
Arbeitsplatz gekoppelt werden.
Das Ladeinfrastrukturkonzept Sachsen-Anhalt wollen wir fortschreiben und
erneuern. Hier braucht es eine Ergänzung um Wasserstofftankstellen sowie um das
teilöffentliche Laden.
Wir wollen die Entwicklung des Autonomen Fahrens fördern und Testräume für
dessen Erprobung einführen. Dabei wollen wir uns auf die Bereiche konzentrieren,
die einen Mehrwert für Mensch und Umwelt bieten: Bus und Bahn, Mobilität in den
ländlichen Räumen und Kleinfahrzeuge für die letzte Meile. In diese Richtung
müssen der „Rahmenplan für Intelligente Verkehrssysteme“ sowie das entsprechende
Förderprogramm ausgebaut werden.
Güter umweltfreundlich transportieren
Der Güterverkehr gehört auf die Schiene. Das schont unsere Umwelt, unser Klima
und nicht zuletzt unsere Nerven. Um Unternehmen den Umstieg auf die Schiene zu
erleichtern, wollen wir mehr Gewerbegebiete an das Schienennetz anschließen,
Nebenbahnen für den Güterverkehr besser nutzbar machen, Unternehmensanschlüsse
an das Schienennetz fördern sowie Flächenbereitstellungen für Umschlagknoten im
Güterverkehr befördern. Hierzu müssen Bahnstrecken verstärkt mit Oberleitungen
elektrifiziert und wo nötig modernisiert werden. Um die Schiene attraktiver zu
machen und bisher mautfreie Straßen zu entlasten, wollen wir über den Bundesrat
und die Verkehrsministerkonferenz die LKW-Maut einheitlich auf alle Straßen
bundesweit ausweiten. Gleichzeitig treiben wir die Elektrifizierung der Schiene
weiter voran. Explizit auch zur Entlastung des Güterverkehrs sind folgende
Strecken mittelfristig zu reaktivieren: Wittenberge-Lüneburg und Magdeburg-
Barby-Dessau.
Bei der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sind modernste
Lärmschutzkonzepte umzusetzen.
Güterverkehr findet aber nicht nur auf den Schienen und Autobahnen des Landes
statt. Die Wirtschaftsverkehre mit großen LKW und Kleintransportern stellen
Gemeinden und Städte vor immer größere Herausforderungen. Sie verursachen nicht
nur Lärm und Abgase, sondern parken oft Fahrbahnen und Fußwege zu und sind für
einen hohen Anteil der Emissionen in den Städten verantwortlich. Wir wollen hier
neue Wege gehen. Unser Ziel sind CO2-freie und lärmarme Wirtschaftsverkehre.
Dies wollen wir erreichen, indem wir unter Einbeziehung der wissenschaftlichen
Kompetenz im Land Rahmenbedingungen für neue Güterverkehrskonzepte entwickeln.
Diese sollen die Kooperation und Bündelung von Warenverkehren über Unternehmen
hinweg ermöglichen, den Einsatz von alternativen Transportmitteln wie Lastenrad
oder Elektro-LKW unterstützen und Räume für Minigüterverkehrszentren und
Mikrodepots eröffnen.
Wir setzen uns für Kooperationen von Speditionen und Lieferdiensten ein und
wollen Modellprojekte für eine emissionsfreie Zustellung initiieren, denn ein
großes Potential liegt in den letzten Kilometern. Mit Lastenrädern können Pakete
von Mikrodepots in der Stadt bis zur Haustür geliefert werden. Wir wollen
Kommunen bei der Errichtung der dazu nötigen kleinen Verteilstationen sowie der
Einrichtung von flächendeckenden Ladezonen für die KEP-Dienste (Kurier-,
Express- und Paketdienste) unterstützen.
Die novellierte Straßenverkehrsordnung erlaubt die Ausweisung von Parkflächen
für Lastenräder. Diese Neuerung soll durch die kommunalen
Straßenverkehrsbehörden in Zusammenarbeit mit der oberen Straßenverkehrsbehörde
genutzt werden. Auch setzen wir uns dafür ein, dass es in den Oberzentren
Koordinator*innen für den Wirtschaftsverkehr gibt, die zwischen Wirtschaft und
Verwaltung vermitteln und zur Nutzung von urbaner, nachhaltiger Logistik
beraten.
Besonders in ländlichen Räumen unterstützen wir eine kombinierte Beförderung von
Waren und Personen im Linienverkehr.
Um diese Vorhaben konzeptionell zu bündeln, ist das Landeslogistikkonzept des
Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2009 fortzuschreiben.
Schiffsverkehr
Die Fähren im Land sichern neben regionaler Mobilität auch Straßenverbindungen
von Land und Bund. Ebenso sind sie für den Radtourismus von Bedeutung und bergen
über ihre reine Funktionalität hinaus Potential als Touristenattraktion. Für die
landesbedeutsamen Fähren wollen wir eine verlässliche Finanzierung auflegen,
damit die Gemeinden nicht allein das wirtschaftliche Risiko tragen müssen.
Auch Schiffe und Fähren sollen sukzessive mit alternativen Antrieben
ausgestattet werden. Dafür wollen wir ein Förderprogramm in die Wege leiten.
Flugverkehr begrenzen
Mit dem Flughafen Leipzig/Halle existiert für Sachsen-Anhalt ein gut ausgebauter
und gut erschlossener Standort. Damit ist unserer Ansicht nach der Bedarf an
Flughäfen in Mitteldeutschland gedeckt. Wir sprechen uns dafür aus, dass kein
Geld mehr in kleinere Regionalflughäfen fließt.
Nachtflüge beeinträchtigen die Lebensqualität der Bewohner*innen der Region
Halle-Leipzig. Die Maßnahmen zum Lärmschutz sind noch immer unzureichend.
Deshalb fordern wir weitere aktive und passive Schallschutzmaßnahmen und die
Einhaltung der „Leitlinien für Umgebungslärm“ der Weltgesundheitsorganisation.
Danach soll der durch Flugverkehr bedingte Lärmpegel auf weniger als 45 dB
verringert werden, weil Fluglärm oberhalb dieses Wertes mit schädlichen
gesundheitlichen Auswirkungen verbunden ist. Wir setzen uns dafür ein, dass in
der Zeit von 22 bis 6 Uhr gemäß der Empfehlung des Umweltbundesamtes für
stadtnahe Flughäfen grundsätzlich kein Flugverkehr stattfindet. Ausnahmen darf
es nur für Fälle wie bspw. dringenden medizinischen Bedarf geben. Die Umsetzung
einer Nachtflugpause am Flughafen Leipzig/Halle muss als Strukturwandelprozess
begriffen und konzeptionell vorbereitet werden.
Wir fordern eine verbesserte Bürger*innenbeteiligung bei Fragen des
Fluglärmschutzes durch die Einführung informeller Beteiligungsmodelle und die
Ausdehnung bestehender Veröffentlichungspflichten auf das Internet. Die
Unterlagen im aktuellen Planfeststellungsverfahren sind unzureichend und durch
den Antragsteller zu überarbeiten. Das Beteiligungsverfahren ist zu wiederholen.
Wir sind gegen einen weiteren Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle. Stattdessen
wollen wir den ökologischen Umbau des Verkehrssektors vorantreiben, also eine
Reduzierung des Transportaufkommens durch Unterstützung regionaler
Wirtschaftskreisläufe und Lieferketten sowie eine Verlagerung des besonders
klimaschädlichen Flugverkehrs auf die Schiene.
Sachsen-Anhalt wollen wir zu einer Modellregion für den zivilen Einsatz von
Drohnen machen. Für das Ausliefern von beispielsweise Medikamenten per Drohne
braucht es Regelungen zum Einsatz und der Anwendung von Drohnen als
Transportmittel. Die „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten
Fluggeräten“ (Drohnen-Verordnung) gibt erste Hinweise. Auf Landesebene soll eine
entsprechende Regelung erarbeitet werden.
Ländliche Räume brauchen eine eigenständige Politik
Über 80 Prozent der Fläche Sachsen-Anhalts sind ländlich geprägt. Der Blick auf
vielfältige und unterschiedlich geprägte ländliche Räume ist noch zu oft
entweder idealisiert oder durch eine „urbane Brille“ auf vermeintliche Schwächen
und Lücken orientiert. Stärken und Ressourcen werden allzu oft von den
Problembeschreibungen überdeckt.
Wir wollen zukünftig noch gezielter die ländlichen Räume in Sachsen-Anhalt
stärken, indem wir Dörfer, Gemeinden, Mittelzentren und Kleinstädte sowie die
dort lebenden Menschen konkreter in den Blick nehmen. Wir wollen Chancen,
Stärken und Ressourcen betonen und dafür die Ideen, Initiativen und das
Engagement der Menschen vor Ort unterstützen. Wir wollen Beteiligung ermöglichen
und die Sichtbarkeit positiver Aspekte stärken. Die Gleichwertigkeit der
Lebensbedingungen darf nicht zur Floskel verkommen.
Den besonderen Bedürfnissen der Menschen in den ländlichen Räumen tragen wir
Rechnung, indem wir in jedem Fachkapitel unseres Programms besondere Maßnahmen
beschreiben. Dies ist notwendig, um das Versprechen der Landesverfassung,
gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen zu gewährleisten, mit
Leben zu erfüllen.
Denn egal ob in städtischen oder ländlichen Räumen, ob in wachsenden oder
schrumpfenden Regionen: Menschen brauchen Zugang zu guter Bildung,
Qualifizierung und Arbeit. Sie benötigen ärztliche Versorgung, Pflege, Schulen
und Kinderbetreuung, digitale Angebote, Zugang zu Kultur- und Freizeitangeboten
und auch zu Einkaufsmöglichkeiten.
Auch in Sachsen-Anhalt entwickeln sich die regionalen Lebensverhältnisse
auseinander. Während es um die großen Ballungszentren herum prosperierende
Gegenden gibt, haben ländliche Räume abseits größerer Städte oft massiv mit den
Auswirkungen von Abwanderung und Alterung zu kämpfen. Diese Entwicklungen wirken
sich schon heute spürbar auf das Leben und die Versorgung in strukturschwachen
ländlichen Regionen aus.
Fehlende Arbeits- und Fachkräfte, fehlende Angebote der Gesundheitsversorgung,
Unternehmen ohne Nachfolge, weniger Sportvereine und spielfähige Mannschaften
sowie nicht einsatzfähige Feuerwehren sind nur einige Beispiele für die Folgen
einer Landespolitik, die lange geprägt war von falschen Analysen und
Lösungsansätzen. Ganze Landesteile sind von Mobilität, moderner digitaler und
sozialer Infrastruktur abgehängt. Eine zentralisierte Bildungslandschaft zwingt
Kinder auf überlange Schulwege.
Wir hingegen wollen die Chancen von Menschen überall so gestalten, dass die
Heimat auch ein lebenswertes zuhause bleiben kann. Eine wichtige Rolle spielen
für uns alle Faktoren zu Gunsten von Familienfreundlichkeit. Denn nur attraktive
ländliche Räume werden auch Orte bleiben, an denen sich Unternehmen, Ärzt*innen
und Familien gerne niederlassen.