Veranstaltung: | 44. Landesparteitag GRUENE LSA |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Das Programm zur Landtagswahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen- Anhalt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 24.04.2021 |
Eingereicht: | 28.04.2021, 00:35 |
Antragshistorie: | Version 1 |
X Kultur
Text
X Kultur
Kultur ist ein hohes Gut von Verfassungsrang, Teilhabe daran ein Menschenrecht.
Um das zu bewahren und neu zu bereichern, bedarf es der Aktivitäten öffentlicher
Institutionen genauso wie des privaten Engagements. Unsere Kulturpolitik
präsentiert sich zentral und dezentral, partizipatorisch und transparent. Wir
stehen für eine Vielfalt von Kultur. Um sie zu stärken, empfehlen wir eine
Kulturförderung, die sich auf Innovation, Teilhabe und Qualität konzentriert.
Kultur ist für uns eine staatliche Pflichtaufgabe. Doch muss Kultur keinen Zweck
erfüllen. Die Kunst ist frei.
Kultur finanziell absichern
Eine wertorientierte Kulturpolitik unterstützt uns bei der Bewältigung der
vielen großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie führt zu einer Stärkung
unseres demokratischen Zusammenlebens. Der Kulturetat des Landes Sachsen-Anhalt
beträgt seit 2017 mindestens ein Prozent des Landeshaushaltes. Diese Regelung
muss beibehalten werden, um die Kultur und Kunst auskömmlich finanzieren zu
können. Es braucht außerdem eine grundlegende Reform der Förderrichtlinien sowie
eine Überprüfung der institutionell geförderten Institutionen. Künftig wollen
wir für landesweit bedeutsame Kunst- und Kultureinrichtungen eine fünfjährige
strukturelle Förderung gewährleisten. Dies schafft Planungssicherheit bei den
Akteur*innen und fördert die Qualität der Arbeit.
Künstler*innen unterstützen und fördern
Neben der Projektförderung ist die Stipendiatenförderung ein wirkungsvolles
Instrument Künstler*innen im Land zu fördern und zu unterstützen. Die
Heimatstipendien der Kunststiftung Sachsen-Anhalt sind weit über das Land hinaus
bekannt und eine Erfolgsgeschichte. Dieses Programm, wollen wir verstetigen und
stärken. Wir setzen uns dafür ein, dass dafür die Struktur der Kunststiftung
Sachsen-Anhalt ausgebaut und die finanzielle Ausstattung verbessert wird.
Landesweite Beratungs- und Serviceagentur für Kultur
Kreative Ideen für kulturelle Projekte scheitern oft an Geld, an
Rahmenbedingungen oder bürokratischen beziehungsweise verwaltungstechnischen
Hürden. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Förderung. Aber oft sind
diese unbekannt oder Anträge sind unübersichtlich und schwer zu verstehen.
Insbesondere in kulturellen Bereichen finden viele Projekte ehrenamtlich statt,
und somit auch die Anfragen auf Förderungen. Wir wollen eine landesweite
Beratungs- und Servicestelle für kulturelle Projekte schaffen, um Ehrenamtlichen
Hilfestellung bei der Beantragung von Fördergeldern zu geben. Damit kann auch
mehr Geld vom Bund, Stiftungen und EU-Fonds abgerufen werden.
Kulturelle Vielfalt ermöglichen
Die Kulturpolitik des Landes beruht auf zwei Säulen. Sie setzt zum einen Akzente
und fördert Projekte mit Relevanz für ganz Sachsen-Anhalt und zum anderen
unterstützt sie kommunale Kulturpolitik. Die kulturelle Infrastruktur ist für
uns integraler Bestandteil des kommunalen Lebens und keine freiwillige Aufgabe.
Kultur und Kunst müssen angemessen bezahlt werden. Deswegen haben wir
beispielsweise in der abgelaufenen Legislatur die Bezahlung in institutionell
geförderten Einrichtungen nach Tarif schrittweise wieder eingeführt. Dazu gehört
ebenfalls, dass Freischaffende für ihre Leistungen angemessen honoriert werden.
Wir wollen eine Ausstellungsvergütung für Künstler*innen in allen vom Land
geförderten Einrichtungen durchsetzen. Um Künstler*innen Raum zur künstlerischen
Entfaltung zu ermöglichen, setzen wir uns für die Schaffung von
Künstler*innenresidenzen im Sachsen-Anhalt ein.
Bei der Novellierung des Vergabegesetzes sind die Interessen und Bedarfe der
Kultur- und Kreativwirtschaft zu berücksichtigen. Auf Bundesebene wollen wir uns
dafür einsetzen, dass die Zugangskriterien für den Beitritt zur
Künstler*innensozialkasse so erweitert werden, dass weitere Berufsgruppen
Mitglied werden können.
Kulturelle Angebote fußen oft auf der engagierten Arbeit Ehrenamtlicher in
Vereinen und Förderkreisen. Wir setzen uns dafür ein, dass das bürgerschaftliche
Engagement mehr Anerkennung und Unterstützung erhält. Auch selbst organisierte
Initiativen junger Kreativer wollen wir unterstützen.
Unsere Kulturpolitik unterstützt Angebote und Teilhabe für Angehörige aller
Altersgruppen und Lebenswelten. Kinder und Jugendliche brauchen einen frühen und
spielerischen Zugang zu allen Bereichen der Kultur im urbanen wie auch in den
ländlichen Räumen.
Zeitgenössische Kunst und Nachhaltigkeit
Künstler*innen schaffen es immer wieder, das Verhältnis von Mensch und Natur in
unterschiedlichen Zusammenhängen neu zu interpretieren und Alternativen
auszuloten. Ziel soll sein, auf öffentlichen Plattformen auf die jeweils aktuell
brennenden Fragen unserer Zeit künstlerische Antworten zu suchen um Produzenten
und Verbraucher noch stärker in die gemeinsame Reflexion und Verantwortung
einzubeziehen. Dafür wollen wir zielgenaue Förderprogramme und kulturpolitische
Initiativen auf den Weg bringen.
Förderprogramm für soziokulturelle Zentren
Soziokulturelle Zentren brauchen eine verlässliche Förderung. In dieser
Legislatur konnten wir die Fördergelder für die Soziokultur erhöhen. Dennoch ist
Soziokultur in Sachsen-Anhalt immer noch schlechter ausgestattet als in anderen
Bundesländern. Deshalb wollen wir ein Programm zur Förderung von Kleinkunst- und
Soziokultur mit mindestens 500.000 Euro pro Jahr. Wir wollen in der nächsten
Legislatur zudem die Förderung der Off-Kultur und der kleinen, oft ehrenamtlich
getragenen Initiativen verbessern. Dazu zählen zum Beispiel die Aktion Musik e.
V. oder das Netzwerk fête de la musique.
Das Land sollte mit den Kommunen nichtkommerzielle Begegnungsstätten, wie
beispielsweise Vereins- und Projekthäuser oder Jugendclubs, unterstützen, indem
Räumlichkeiten bereitgestellt werden.
Digitale Übertragung von kulturellen Ereignissen
unterstützen
Durch die Corona-Pandemie haben viele Kulturorte mit den Möglichkeiten des
Streamings von Konzerten, Theaterstücken und anderen kulturellen Ereignissen
experimentiert. Wir wollen ein Landesprogramm ins Leben rufen, damit Kulturorte
diese technischen Möglichkeiten professioneller nutzen können. Die angebotenen
digitalen Veranstaltungen sollen dann gebündelt im Netz zu finden sein.
Perspektivisch kann sich daraus ein weiterer Vertriebskanal entwickeln, der auch
gekoppelt ist an ein Entgelt-System für die Nutzung, damit die Urheber*innen
angemessen bezahlt werden können.
Mehr Plätze in Musikschulen anbieten
Musikschulen ermöglichen, dass jede*r unabhängig vom Geldbeutel ein Instrument
oder Singtechniken erlernen kann. Wir wollen daher mehr Plätze in Musikschulen
in Sachsen-Anhalt anbieten. Deshalb braucht es eine verlässliche Finanzierung
der Musikschulen. Ein Drittel der Fördergelder soll das Land Sachsen-Anhalt
übernehmen und ein Drittel die Kommunen. Das letzte Drittel finanzieren die
Musikschulen über die Beiträge der Schüler*innen. Wir streben an, dass Lehrende
an Musikschulen fest angestellt werden.
Theater- und Orchesterlandschaft erhalten
In Sachsen-Anhalt wollen wir die bestehende Theater- und Orchesterlandschaft
erhalten und die freie Szene besser unterstützen. Theaterpädagogische Angebote
wollen wir verstetigen und alle jungen Menschen aus allen sozialen Schichten
gleichermaßen erreichen.
Filmland Sachsen-Anhalt voranbringen
Sachsen-Anhalt hat sich zu einem attraktiven Standort für Dreharbeiten und die
Postproduktion entwickelt. Viele Filmproduktionen, die von der Mitteldeutschen
Medienförderung (MDM) unterstützt wurden, haben nationale und internationale
Anerkennung gefunden. Diesen Weg wollen wir konsequent weitergehen und die
internationalen Kooperationen ausbauen. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten
Filmfestivals. Wir wollen diese Förderung aufrechterhalten. Auch in der
Filmförderung bestehen wir auf Gender-Budgeting. Vor allem Frauen wollen wir
damit als Filmschaffende unterstützen.
Bibliotheksgesetz erneuern
In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 183 öffentliche Bibliotheken. Ihren Rahmen
setzt das Bibliotheksgesetz. Die letzte umfassende Erneuerung des Gesetzes war
2010, die Arbeitsbedingungen von Bibliotheken haben sich – besonders durch die
fortschreitende Digitalisierung – seitdem massiv verändert. Daher muss das
Bibliotheksgesetz dringend novelliert werden. Eine Landesfachstelle muss darin
verankert werden. Ihre Aufgabe ist es, Konzepte und Programme zu entwickeln,
damit die Bibliotheken zukunftsfest werden. Außerdem sollen Standards für die
Qualität festgeschrieben werden. Wir wollen, dass bis 2025 alle Bibliotheken in
Sachsen-Anhalt E-Books, E-Audios und E-Papers über das Portal "on-leihe"
anbieten können. Wir wollen die Bibliotheken bei der Digitalisierung historisch
wertvoller Altbestände unterstützen.
Museen kostenlos für Kinder und Jugendliche
Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche so früh wie möglich an Museen und ihre
unzähligen Schätze herangeführt werden. Der Eintritt in Museen der öffentlichen
Hand in Sachsen-Anhalt sollte daher für Jugendliche bis 15 Jahre und Menschen,
die Freiwilligendienst leisten, kostenlos werden. Wir unterstützen Museen dabei,
grundsätzlich stärker und zielgruppenorientierter auf ihr Publikum zuzugehen,
kommunikative Formate anzubieten, gesellschaftlich relevante Diskurse
aufzunehmen und dabei auch niedrigschwellige Angebote zu berücksichtigen. Auch
digitale Strategien für moderne Museumskommunikation sollen dabei eine große
Rolle spielen.
Neues Konzept für Museen
Eine Strategie zur mittelfristigen Entwicklung der Museumslandschaft ist
dringend notwendig. Als Ziel im aktuellen Koalitionsvertrag formuliert, ist es
bisher leider nicht realisiert worden.
Die bisherige Konzeption der Landesausstellungen hat sich überholt. Anstatt
singuläre Ausstellungen mit speziellem Fokus besonders zu fördern, sollten
thematische Schwerpunkte gesetzt werden, die landesweit ausstrahlen und damit
die Landesidentität stärken.
Bibliotheken und Museen zu lokalen Begegnungsorten
weiterentwickeln
Insbesondere in den ländlichen Räumen gehören kleine Museen und Bibliotheken zu
wichtigen Orten der kulturellen Infrastruktur. Wir wollen ein Programm auflegen,
damit Kommunen diese Orte zu Begegnungsorten für die ganze Gemeinschaft
weiterentwickeln. So könnten dort Schüler*innen ihre Hausaufgaben machen oder
auch Coworking-Spaces angedockt werden.
Industriekultur in den Fokus rücken
In der nächsten Legislaturperiode wollen wir das Thema Industriekultur endlich
angehen und dieses Erbe in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Dafür soll auf
Landesebene eine Konzeption zur musealen Präsentation von Industriekultur ab dem
19. Jahrhundert bis zur Gegenwart entwickelt und umgesetzt werden. In diesem
Kontext sollen auch vorhandene Orte sichtbar gemacht und mit neuem und nicht nur
musealem Leben gefüllt werden. In einem ersten Schritt sollen die Zeit des
Umbruchs nach 1989 und die großen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und
politischen Umwälzungen beleuchtet werden.
Erinnerungskultur bewahren
Wir sehen uns in der politischen Verantwortung, die Orte der Erinnerungskultur
in Sachsen-Anhalt zu erhalten und die pädagogische Arbeit kontinuierlich
weiterzuentwickeln. In Zeiten, in denen rassistische und nationalistische
Tendenzen Zulauf erhalten, wollen wir an die Taten der nationalsozialistischen
Diktatur und des DDR-Unrechtsstaates erinnern. Die Erinnerungsorte nehmen dabei
eine wichtige Funktion ein.
UNESCO-Welterbestätten ins Schaufenster stellen
Für das Lutherjubiläum 2017 und für 100 Jahre Bauhaus 2019 wurden erhebliche
Gelder in die kulturelle Infrastruktur des Landes investiert. Das war eine
richtige Entscheidung. Auf diese Weise ist Sachsen-Anhalt auf die
kulturtouristische Landkarte gesetzt worden. Nun ist es an der Zeit, diese
Erfolge langfristig abzusichern und auszubauen. Das Jubiläum 100 Jahre Bauhaus
in Dessau im Jahre 2025 ist vom Land konzeptionell zu begleiten und zu
unterstützen.
Wir wollen die bestehenden Angebote besser präsentieren und die Welterbe Card
ausbauen. Dabei sollen die Menschen vor Ort eingebunden werden. Das Konzept der
Bauhaus-Agenten könnte auf andere UNESCO-Orte angewandt werden. Um
Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus zu erzielen, braucht es kluge
Kooperationen mit starken Partner*innen. So wollen wir die Idee einer Kunst-
Biennale in Wittenberg nochmals prüfen und einen adäquaten Ersatz für die
Fernsehsendung „zdf@bauhaus“ finden, die von Dessau nach Weimar abgewandert ist.
Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ist dringend weiterzuentwickeln. Alle
wertvollen Bereiche, die den Unesco-Welterbestatus nur in der Gesamtheit
begründen, müssen anerkannt und gefördert werden. Dazu zählen explizit neben den
Schlössern und Gärten auch die landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen
Flächen. Wir wollen daher einen Waldbeirat, um auch diesem Teil der Stiftung
Geltung zu verschaffen.
Clubs, Kneipen und Dorfgaststätten erhalten und
wiederbeleben
Clubs, Kneipen und Dorfgaststätten sind wichtige Begegnungsorte und gehören zur
Alltagskultur. Dabei kämpfen viele ums Überleben. Zwischen 2006 und 2017 sind
ein Fünftel der Gaststätten und knapp jede dritte Dorfkneipe geschlossen worden.
2020 wurde auf unser Betreiben hin ein Programm ins Leben gerufen, um die
Übernahme von Gaststätten zu fördern, wenn ein*e Nachfolger*in fehlt. Dieses
Programm sollte unbedingt fortgeführt werden. Wo es keine Möglichkeiten zum
Ausgehen gibt, sollten die Menschen mit guten Bus- und Bahnanbindungen auch
abends und nachts angebunden sein. Für Clubs wollen wir einen Fonds für
Schallschutz einrichten, damit kein Club wegen eines Lautstärkestreits schließen
muss.