Veranstaltung: | 44. Landesparteitag GRUENE LSA |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 4. Das Programm zur Landtagswahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen- Anhalt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 24.04.2021 |
Eingereicht: | 28.04.2021, 00:10 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V Haushalt und Finanzen
Text
V Haushalt und Finanzen
Nachhaltigkeit ist auch unser Prinzip, wenn es ums Geld geht, sowohl in der
Wirtschaft als auch im Finanzhaushalt. Wir stehen in der Verantwortung, mit den
begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln zu haushalten. Wir müssen dabei
trotzdem die aktuell bestehenden gesellschaftlichen Aufgaben finanzieren und
heute investieren, damit wir gemeinsam aus der Coronakrise kommen und es
Sachsen-Anhalt morgen besser geht.
Um ein wirtschaftlich starkes, demokratisches und lebenswertes Sachsen-Anhalt zu
gestalten, müssen wir in den Erhalt unserer Lebensgrundlagen, den sozialen
Zusammenhalt und gute Bildung investieren. Nachhaltigkeit, sozialer Ausgleich
und Aufgeschlossenheit für Neues sind auch im Haushalt Leitplanken. Dabei darf
nicht vergessen werden, dass die Bewältigung der Klimakrise die zentrale
Herausforderung auf allen politischen Ebenen ist. Im Landeshaushalt heißt dies,
die Klimaauswirkungen jeder Ausgabe zu bewerten und umweltfreundliche Ausgaben
zu fördern.
Nachhaltige Finanzpolitik als Leitbild
Wir verbinden zukunftsorientierte Investitionen mit einer nachhaltigen
Finanzpolitik. Das heißt, die Zukunft sichern, ohne die Lasten einseitig auf
künftige Generationen zu verschieben. Die Landesfinanzen müssen deshalb nach der
Bewältigung der Coronakrise in späteren Haushalten ausgeglichen sein. Wir wollen
unseren Kindern und Enkelkindern ein Land übergeben, in dem sie politische
Gestaltungsspielräume haben. Das ist eine herausfordernde Aufgabe angesichts der
strukturell bedingt geringeren Einnahmemöglichkeiten, der bereits angehäuften
Schulden, des demographischen Wandels und der veränderten EU-Strukturförderung
in der Förderperiode 2021-2027. Doch wir sind uns sicher, dass wir es bewältigen
können. Unser Anspruch ist, in Köpfe zu investieren und bei unnötigem Beton zu
sparen. Wir investieren dort, wo es für die Zukunft unserer Kinder sinnvoll ist,
also vor allem in Schulen, Universitäten und in den Erhalt unserer Natur.
Hingegen sollte Sparen bei Regierung und Verwaltung selbst beginnen.
Zur Nachhaltigkeit der Finanzpolitik gehört auch, das Vermögen des Landes nicht
nur sicher, sondern auch ethisch und ökologisch verantwortlich anzulegen. Auch
die Anlage der Mittel des Pensionsfonds des Landes muss diesen Kriterien
genügen. Wobei wir auch für Anlagemöglichkeiten in sichere und langfristige
nachhaltige Investitionen im Land selbst eintreten. Wir benötigen eine
Divestmentstrategie des Landes die Investitionen in Rüstung, Atom und Kohle
sowie Produkte aus Kinderarbeit ausschließt. Gesetzlich abgesichert soll dies
auch für Landesbetriebe, Landesstiftungen und Landesbeteiligungen gelten. Den
Kommunen wollen wir hierfür Beratungsangebote unterbreiten.
Die Veräußerung von im Landeseigentum stehenden land- und forstwirtschaftlichen
Flächen lehnen wir unter dem Aspekt der finanziellen Nachhaltigkeit ab.
Klimaschädliche Ausgaben kennzeichnen
In künftigen Haushalten sind klimaschädliche Ausgaben kenntlich zu machen und zu
vermeiden. Ähnlich dem Gender Budgeting, für dessen konsequente Umsetzung wir
uns einsetzen, brauchen wir im Haushalt einen Klimacheck, der bewirkt, dass die
Ausgaben klimafreundlich getätigt und Einsparpotenziale gehoben werden.
Landesverwaltung als Vorbild
Für die Landesverwaltung wollen wir schnellstmöglich ein wirksames
Energiemanagement einführen, wie im Energiekapitel beschrieben. Die Versorgung
aller Landesliegenschaften soll ausschließlich mit Erneuerbare Energien
erfolgen.
Das Land als Arbeitgeber muss attraktiv und fürsorgend sein. Wir müssen in der
Lage sein, die Personalbedarfe des Landes entsprechend der Aufgaben zu decken.
Für einzelne und besondere Spezialbereiche sind Regelungen über den Tarifvertrag
hinaus zu prüfen. Eine echte Wahlmöglichkeit zwischen gesetzlicher und privater
Krankenversicherung im Beamt*innenverhältnis soll umgesetzt werden. Allen
Beschäftigten sind Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten. Wir sehen
einen besonders hohen Bedarf für Qualifizierungsmaßnahmen im digitalen Bereich.
Stetige Aufgaben- und Effizienzkritik einführen
Verantwortungsvolle Politik muss sich an der Frage messen lassen, ob die ihr zur
Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und effizient im Sinne des Allgemeinwohls
eingesetzt werden. Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit einer stetigen
Aufgaben- und Effizienzkritik. Auch der interessierten Öffentlichkeit soll dies
mit einem Open-Data-Haushalt erleichtert werden.
Die Landesverwaltung soll für institutionell geförderte Träger und bei bereits
langjährigen Fördervorhaben, die im Landeshaushalt verankerten Ausgaben
spätestens 4 Monate nach Haushaltsbeschluss bescheiden und ausreichen. Wo
möglich, soll auch mit 2-jähriger Bescheidung gearbeitet werden.
Verwendungsnachweise für diese sind auf das unbedingt Nötige zu verringern und
mit Pauschalen gearbeitet werden.
Für Transparenz der Verwaltung sind alle Gesetzes- und Verordnungsblätter sowie
alle Verordnungen der Ministerien und allgemeingültige Anordnung der Landesämter
der Öffentlichkeit am Tag der Verkündigung online verfügbar zu machen.
Fördermittel bündeln und zukunftsfest ausrichten
Die überfällige Fördermitteldatenbank des Landes soll alle Förderprogramme des
Landes enthalten und Lücken bei der Kontrolle schließen. Damit soll einerseits
gebündelt über Fördermöglichkeiten informiert, wie andererseits auch
Doppelförderungen vermieden werden.
Die Förderpolitik mit EU-, Bundes- und Landesgeldern wollen wir stärker an den
Kriterien Effizienz und Nachhaltigkeit ausrichten und die Folgen für Mensch,
Natur und Klima als Leitkriterium ins Zentrum stellen. Deshalb drängen wir auf
eine andere Förderphilosophie. Die Mittel wollen wir daher vor allem für eine
moderne Infrastruktur, erneuerbare Energieträger, den Umbau hin zu einer
klimaneutralen Wirtschaft sowie für ÖPNV- und Fahrradverkehr nutzen. Die Vergabe
von Fördermitteln an kleine und mittlere Betriebe wollen wir erleichtern. Dafür
ist es wichtig, dass die Vergabe von EU-Fördermitteln gebündelt wird.
Bei der Umsetzung von EU-Förderprogrammen soll es keine unnötigen Zusatzauflagen
des Landes geben. Wir stellen die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe,
Umwelt- und Klimaschutzes und des sozialen Zusammenhalts bei der regionalen
Ausgestaltung der Kriterien für die neue Förderperiode der Europäischen
Strukturfonds ins Zentrum sachsen-anhaltischer Förderung. Partizipative
Entscheidungen vor Ort und den dezentralen Ansatz der EU-Kohäsionspolitik wollen
wir stärken, indem Bürger*innen auf kommunaler Ebene über die Mittelvergabe von
EU-Mitteln mitentscheiden. Ein partizipativer Ansatz wie beim LEADER-Programm
soll auch für andere EU-Programme möglich werden.
Öffentliches Bankwesen stärken
Die Investitionsbank des Landes wollen wir aus der Nord/LB herauslösen und als
selbständige Bank zur Unterstützung der klein- und mittelständischen Wirtschaft
sowie zur effizienten Abwicklung von Förderprogrammen nutzen. Die Anteile des
Landes an der Nord/LB wollen wir mittelfristig veräußern. Der
Konzentrationsprozess der Sparkassen und Landesbanken findet unsere
Unterstützung, um sie zu einem sichereren, schneller handlungsfähigen sowie
transparenteren und weniger komplexen Verbund weiter zu entwickeln. Zur
Transparenz gehört auch eine Offenlegung der Vorstandsbezüge der Sparkassen im
Land.
Landesvergaberecht reformieren
Wir wollen das Landesvergaberecht reformieren. Darin sollen die faire und
nachhaltige Beschaffung verankert werden. Ebenfalls im Gesetz sollen soziale,
ökologische und menschenrechtliche Kriterien bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge in Handel und Produktion enthalten sein. Die tarifliche Bezahlung aller
Auftragnehmenden soll dabei gesichert werden. Die Werkstätten für Menschen mit
Behinderungen und Blindenwerkstätten sollen bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge bevorzugt werden.
Kommunen auskömmlich finanzieren
Kommunen brauchen eine angemessene finanzielle Ausstattung, um ihre Aufgaben im
Sinne der Bürger*innen bewältigen zu können. Kommunalfinanzen werden derzeit in
erster Linie nach Einwohner*innenzahl zugeteilt. Das bedeutet, dass von
Abwanderung betroffene Kommunen weniger Mittel erhalten und gleichzeitig
attraktiver werden sollen. Damit wird Ungleiches gleich behandelt. Die
Infrastruktur wird nicht linear weiter schrumpfen können. Wir wollen uns dafür
einsetzen, dass die Bundes- und Länderfinanzzuweisungen durch einen
Flächenfaktor ergänzt werden.
Wir wollen das Finanzausgleichsgesetz (FAG) weiter reformieren. Die angemessene
Erhöhung der Finanzausgleichsmasse im FAG ab 2022 hat für uns Priorität und
sollte Vorrang haben vor neuen Sonderprogrammen. Dabei sollen die Kosten für die
im Zuge von Digitalisierung, demografischer Entwicklung und Klimakrise
erforderlichen Umstellungsprozesse, der Abbau des Investitionsstaus und der
Verbleib einer verfassungskonformen freien Spitze berücksichtigt werden. Der
schwierigen Bewirtschaftung der kommunalen Haushalte soll mit einer Globalen
Minderausgabe mehr Flexibilität gegeben werden.
Kommunen, die dauerhaft unverschuldet strukturell unterfinanziert sind, soll im
FAG eine auskömmliche Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung in Form einer
kommunalen Grundsicherung gewährt werden. Für die genauere Ausgestaltung der
Grundsicherung wollen wir, dass die Finanzstrukturkommission des Landes zusammen
mit den betroffenen Kommunen und dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber Vorschläge
erarbeitet. Die Finanzstrukturkommission soll dafür transparenter und für
weitere Mitglieder insbesondere Landtagsabgeordnete geöffnet werden.
Mit einer klaren Definition eines transparenten Verfahrens zur Bestimmung der
Kreisumlage soll das Land zur Beendigung der Streite innerhalb der kommunalen
Ebene beitragen. Den Landkreisen soll bundesweit über einen erhöhten kommunalen
Anteil an der Umsatzsteuer eine eigene, von der Kreisumlage unabhängige,
Einnahme gegeben werden.
Wir fordern die Einrichtung eines Altschuldenfonds, über den, soweit möglich mit
Hilfe des Bundes, verschuldeten Kommunen, die strukturell nicht in der Lage
sind, sich aus den Altschulden zu befreien, eine neue Perspektive eröffnet wird.
Auf Bundes- und Landesebene muss das Konnexitätsprinzip befolgt werden.
Gemeinden zu stärken, heißt auch, die Gewerbesteuer im Sinne der Kommunen in den
neuen Bundesländern zu reformieren und wirtschaftskraftbezogen zu zerlegen. Bei
Gesetzgebungsprozessen muss das Land die Interessen der Kommunen auf Bundesebene
mit höchster Priorität vertreten, um weitere finanzielle Belastungen durch
Bundesgesetze zu verhindern.