Beschluss LDR im März
Kapitel: | VII Soziales |
---|---|
Antragsteller*in: | Inés Brock (KV Halle) |
Status: | Modifiziert übernommen |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 21.04.2021, 15:39 |
Kapitel: | VII Soziales |
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Antragsteller*in: | Inés Brock (KV Halle) |
Status: | Modifiziert übernommen |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 21.04.2021, 15:39 |
die seit Jahren eine zu geringe Förderung erhalten, benötigen für ihren Fortbestand ein Investitionsprogramm und verlässliche Förderung. Darüber hinaus stehen wir in der Verantwortung, die Folgen der Pandemie für die Kinder- und Jugendhilfe in den Blick zu nehmen. Beratungs- und Betreuungsleistungen müssen an den steigenden Bedarf angepasst werden.
Wir wollen, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilhaben und ein Leben in Würde führen können, von der Geburt bis ans
Sterbebett. Unsere Sozialpolitik soll Bedingungen für eine angemessene
Grundsicherung und den Rahmen für eine selbstbestimmte Lebensführung schaffen.
Alle sollen die Unterstützung bekommen, die sie in ihrer persönlichen Situation
benötigen und die ihnen eine Perspektive für die eigene Entwicklung eröffnet.
Wir brauchen einen Wandel weg von einer nachsorgenden Sozialpolitik, die auf
bestehende Probleme und Defizite fokussiert ist, hin zu einer Sozialpolitik, die
präventiv wirkt.
Unsere Politik zielt auf eine Existenzsicherung von der Wiege bis zur Bahre. Die
soziale Sicherung bedeutet für uns, den Menschen über ihre gesamte Lebensspanne
hinweg den Grundbedarf zu garantieren. Die Maßnahmen dazu sind eine
sanktionsfreie und armutsfeste Kindergrundsicherung, Ausbildungsförderung und
Grundsicherung unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus. Wir unterstützen
Bundesratsinitiativen, die darauf abzielen.
Sozialpolitik muss lebenslang Chancen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung
eröffnen. Für die Entwicklung einer modernen Sozialpolitik müssen Menschen die
Möglichkeit haben, Netzwerke und individuelle Unterstützungsangebote kombinieren
zu können. Deshalb wollen wir weg vom Schubladensystem in der Beurteilung von
Menschen nach Syndromen und Symptomen hin zu individueller Beurteilung. Der
Mensch mit seiner persönlichen Situation und seinen persönlichen Bedürfnissen
gehört in den Mittelpunkt von Sozialplanung. Sachsen-Anhalt soll zunächst in
inklusiven Modellprojekten Case-Management als Instrument der Sozialplanung
erproben – mit dem Ziel es zum Standardinstrument der Sozialplanung zu machen.
Wir denken das System für unterstützende staatliche Leistungen von den
Bürger*innen mit einem Lebensmittelpunkt in Deutschland her, nicht in den
Rechtskreisen Arbeitsmarktinstrumente, Hilfe für Menschen mit Behinderungen,
Kinder- und Jugendhilfe, Kranken- und Pflegeversicherung. Dieses System der
verschiedenen Rechtskreise funktioniert oft unzureichend, weil viele Menschen
mehrfache, vielfältige und zusammenhängende Bedarfe haben. Wir wollen erreichen,
dass es in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt eine
rechtskreisübergreifende und mehrsprachige Beratungsstelle gibt und die
Leistungen im besten Falle rechtskreisübergreifend erbracht werden. Dafür wollen
wir Modellprojekte starten. Die entsprechenden Ausführungsgesetze zu den
Sozialgesetzbüchern sollen dafür überarbeitet werden. Sowohl im Bereich der
Hilfe für Ältere und Menschen mit Behinderungen wie auch im Bereich der Kinder-
und Jugendhilfe ist dies ein notwendiger Schritt, um den Leistungsbezug
bürger*innenfreundlicher zu gestalten, Synergien zwischen den Leistungssystemen
zu nutzen und Bürokratie letztlich abzubauen.
Derzeit lebt nahezu jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt in Armut. Dies bleibt
eine massive sozialpolitische Herausforderung, auf die wir antworten müssen.
Alle Kinder, die in Armut leben, sind vielfältigen Formen der Benachteiligung
ausgesetzt: Nachteile in der Schule und Ausbildung, schlechtere Gesundheit oder
Vorsorge, eingeschränkter Zugang zu Kultur sowie zu angemessenem Wohnraum. Die
Corona-Pandemie hat diese Situation in vielen Bereichen noch verschärft. Deshalb
setzen wir uns für eine armutsfeste allgemeine Grundsicherung für alle hier
lebenden Kinder - unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres
Aufenthaltsstatus ein und wollen dies auf Bundesebene voranbringen.
Neben dieser direkten finanziellen Bekämpfung von Kinderarmut und flankierenden
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die direkt auf die Einkommenssituation von
Eltern zielen, möchten wir insbesondere Schutzfaktoren gegen Armut befördern,
also Kinder und junge Menschen in ihrer Resilienz stärken, damit sie besser mit
widrigen Umständen umgehen können. Mit dieser Zielstellung wurden in dieser
Legislatur auf unser Betreiben hin 100 zusätzliche Stellen für die Förderung von
Kitas mit besonderen Bedarfen geschaffen. Basierend auf diesen Erfahrungen
wollen wir zusätzliche solcher Stellen flächendeckend im Land etablieren, um
insbesondere die vielfaltsbewusste Kitasozialarbeit als Instrument der
Frühförderung für eine chancengerechte soziale Teilhabe damit zu befördern. Als
weiteren Schutzfaktor gegen Kinderarmut wollen wir auch die Jugend(verbands-
)arbeit finanziell besserstellen und ausbauen. Wir wollen Präventionsketten
etablieren und verstetigen, beginnend mit den Frühen Hilfen bis hin zur
sozialpädagogischen Ausbildungsbegleitung.
Wir wollen den nächsten Kinder- und Jugendbericht zur Mitte der Legislatur mit
dem Schwerpunkt Kinderarmut vorlegen und auf Basis dessen das jugendpolitische
Programm fortschreiben.
Wir wollen die Ausbildungssituation von Alleinerziehenden und Personen mit
unterbrochenen Bildungsbiografien durch die Stärkung der Teilzeitausbildung
verbessern.
Alle Kinder haben eigene Rechte: Rechte auf Schutz, Förderung ihrer Entwicklung
sowie Beteiligung. Diese Rechte sind in der UN-Kinderrechtskonvention
festgehalten. Wir stehen für die konsequente Umsetzung und Einhaltung dieser
Rechte. Daher wollen wir im Bundesrat eine Initiative einbringen, um
Kinderrechte für alle in Deutschland lebenden Kinder auch im Grundgesetz zu
verankern. Ihre Rechte auf Bildung und individuelle Förderung müssen gestärkt
werden.
Kinderrechte müssen vor Ort erlebbar und realisiert werden. Wir setzen uns für
eine umfassende Beteiligung der Kinder bereits im Kindergarten ein. In der
Schule sollte die Drittelparität eingeführt werden
Der aktuelle Kinder- und Jugendbericht wie auch das jugendpolitische Programm
der Landesregierung formulieren u.a. auf Grundlage von Umfragen und Workshops
mit Jugendlichen zentrale Anliegen und Herausforderungen für die Jugendpolitik.
Damit ist unser Anliegen, als Politik mit Jugendlichen zu sprechen und nicht
immer nur über Sie, umgesetzt worden. Etwa für zentrale Bereiche wie Teilhabe
und politische Partizipation sowie Mobilität verweisen diese Berichte auf hohen
Handlungsbedarf. Mit Beginn der neuen Legislatur ist auf dieser Grundlage eine
eigenständige Jugendpolitik im Land konzeptionell und strategisch zu verankern,
finanziell zu untersetzen und im stetigen Austausch mit den jungen Menschen im
Land rückzukoppeln und fortzuentwickeln. Gelingende Jugendpolitik betrachten wir
auch als ein Haltefaktor gerade in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts. Es
braucht direkte Ansprache und Wertschätzung der jungen Generation, damit sie
ihren Geburtsort auch als positiv besetze Heimat erleben können."
Wir wollen, dass das Landeszentrum Jugend und Kommune dauerhaft gefördert wird.
Es soll seinen Aufgaben auskömmlich finanziert nachgehen können. Zur Stärkung
der Beteiligung junger Menschen vor Ort und insbesondere der Unterstützung der
Kommunen, die sich in diesem Sinne auf den Weg machen wollen, werden wir das
Kommunalverfassungsgesetz schärfen. Die Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten
via Satzung umfängliche Regelungen zur Beteiligung festzulegen wie bspw. auch
Rede- und Antragsrechte von Jugendgremien in kommunalen Parlamenten und die
Vorhaltung eines Budgets. Wir setzen uns dafür ein, eine verbindliche
Beteiligung bei kommunalen Planungsprozessen einzuführen. Dabei sind die
Qualitätskriterien des Landesnetzwerks „Runder Tisch kommunale
Jugendbeteiligung“ zu Grunde zu legen. Damit das Anrecht auf kommunale
Beteiligung einklagbar wird, wollen wir ein Verbandsklagerecht für demokratische
Jugendverbände gesetzlich ermöglichen. Zur Bündelung der Interessen von jungen
Menschen sollen kommunale Kinder- und Jugendgremien gefördert werden. Wir wollen
kommunale Kinder- und Jugendbeauftragte als verlässliche lokale
Ansprechpartner*innen schaffen.
Wir setzen uns dafür ein, dass das jugendpolitische Programm des Landes Sachsen-
Anhalt überarbeitet wird und künftig die LSBTIQ*-Jugendinteressen durch
Beteiligung von queeren Jugendgruppen und Jugendverbänden im Land
mitberücksichtigt sind.
Kinder und Jugendliche sind Menschen mit eigenen Hoffnungen, Wünschen und
Möglichkeiten, aber auch eigenen Forderungen, deren Sicht auf Gesellschaft und
Politik sich meist von jener der Erwachsenen unterscheidet. Wir wollen Kinder
und Jugendliche so oft wie möglich und altersgerecht in Entscheidungsprozesse
einbeziehen. Denn sie sind bereits jetzt und hier als Kinder und Jugendliche
Bürger*innen und Teil unseres politischen Gemeinwesens. Wir wollen daher das
aktive Wahlrecht bei allen Wahlen auf 14 Jahre absenken.
Wir unterstützen nach wie vor die Jugendverbände der demokratischen politischen
Parteien bei ihrem Wunsch nach Gründung eines Rings politischer Jugend (RPJ) in
Sachsen-Anhalt. Dieser Ring soll vom Land als wichtiger Ort politischer
Willensbildung und Vielfalt für junge Menschen finanziell ausgestattet werden,
wenn ein belastbarer gemeinsamer Vorschlag der Jugendverbände dazu vorliegt.
Die finanzielle Förderung der Jugendarbeit durch das Land orientiert sich
zurzeit einzig an der Anzahl junger Menschen in den Landkreisen und kreisfreien
Städten. Die Flächenkreise haben dadurch in den letzten Jahren eine Reduzierung
ihrer Förderung von bis zu 30 Prozent hinnehmen müssen. Diese Entwicklung wollen
wir stoppen. Dafür wollen wir Verteilmechanismen entwickeln, wie etwa einen
Flächenfaktor, so dass nicht allein die Anzahl junger Menschen, sondern auch
beispielsweise die Größe eines Landkreises die Verteilung der Fördergelder
bestimmt. Das verhindert den Teufelskreis von sinkenden Fördergeldern und einer
sinkenden Anzahl junger Menschen. Auch ist die Dynamisierung der Förderung der
Jugendarbeit der Inflation und der Tarifentwicklung anzupassen. Eine
bedarfsgerechte Förderung ist geboten, weil Jugend(verbands-)arbeit jungen
Menschen Raum gibt sich auszuprobieren und zu beweisen. Wir wollen, dass das
Land den Strukturaufbau von Jugendverbänden in den Kreisen unterstützt.
Die Jugendhilfeplanung ist feste Voraussetzung für Auszahlung der Gelder nach
dem Familienfördergesetz. Es muss kommunalaufsichtlich sichergestellt werden,
dass deren Umsetzung eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist.
Tarifgerechte Bezahlung muss in allen Bereichen sichergestellt sein.
Wir wollen Kommunen ermutigen, mehr öffentliche Räume für Kinder und Jugendliche
bereit zu stellen. Dies sind Freiräume ohne staatliche oder gesellschaftliche
Vordefinitionen, in denen so wenig wie möglich von außen gesteuert und
vorgegeben wird, die sie gestalten und in denen sie Erfahrungen sammeln und sich
erproben können. Dazu soll ihnen ein weitgehend selbst verwaltetes Budget zur
Verfügung stehen. Und wir wollen ihnen Expert*innen, zum Beispiel hauptamtliche
kommunale Kinder- und Jugendbeauftragte zur Seite stellen, die in der Lage sind,
ihnen diese Freiräume zu schaffen und zu erhalten, ihnen aber gleichzeitig Halt
und Hilfestellung bieten, wenn sie diese benötigen und einfordern.
Schulsportanlagen und Räume in Schulgebäuden sollen Kindern und Jugendlichen,
Verbänden und Vereinen auch außerhalb des Unterrichts offenstehen.
Die Jugendzentren unseres Landes wollen wir möglichst erhalten und durch mehr
Mitarbeiter*innen unterstützen. Gerade in den ländlichen Räumen brauchen
Jugendzentren längere Öffnungszeiten, um attraktiv für Kinder und Jugendliche zu
sein. Vor allem Mädchen wollen wir Räume geben, sich auszuprobieren und
Erfahrungen zu sammeln. Es fehlen sichere Räume – online wie offline. Mittels
Schulsozialarbeit, Unterstützung von Jugendclubs und selbst verwalteten Räumen
schaffen wir diese Räume und bestärken junge Menschen, vor allem Mädchen.“
Wir wollen in den Kommunen Wohnen, Arbeiten und Freizeit wieder enger
zusammenführen sowie Stadtteile und Innenstädte beleben und begrünen. Davon
profitieren alle Menschen. Zu diesem Zweck erwarten wir in den Kommunen eine
bessere Abstimmung der Schulentwicklungs-, Stadt- und der Jugendhilfeplanung.
Die nach dem neuen Familienförderungsgesetz beim Land einzureichende
Jugendhilfeplanung muss stärker genutzt werden, entsprechende Ziele
durchzusetzen.
Jugendbildungsstätten und Jugendherbergen sind ein wichtiger Ort für
außerschulische Bildung und Begegnung, aber auch für kostengünstige Urlaube für
Familien. Sie sind insbesondere durch die Corona-Pandemie in extreme Schieflage
gekommen. Das Land Sachsen-Anhalt soll gemeinsam mit den Akteur*innen einen
Strategieplan entwickeln. Dieser soll am gesellschaftlichen Bedarf orientiert
einen Weg aufzeigen, welche Einrichtungen dauerhaft erhalten werden können und
dabei auskömmlich finanziert werden müssen.
Eine Ombudsstelle für Kinder- und Jugendhilfe ist bisher lediglich als
Modellprojekt eingerichtet. Wir wollen, dass sie dauerhaft gefördert wird. Auch
wollen wir sie so ausbauen, dass sie landesweit wirken kann.
Die bundesweiten Fälle schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder, die in den
vergangenen Jahren aufgedeckt wurden, zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf.
Wir wollen im Land die Beratungsangebote im Bereich sexualisierter Gewalt
ausbauen. Dabei sollen vielfaltssensible Familienbildungsstätten, Kitas,
Schulen, Migrantenselbstorganisationen und Jugendämter eingebunden werden. Wir
wollen die Präventionsprojekte, die etwa mit der Berliner Charité initiiert
wurden, weiterführen und ausbauen. Im Rahmen der Strafverfolgung wollen wir die
Ermittlungen auf Landesebene bündeln und besser koordinieren, um den Kampf gegen
Kinderpornographie im Internet besser führen zu können. Aber auch sexualisierte
Gewalt und Übergriffe unter Jugendlichen wollen wir stärker als bisher in die
Präventionsarbeit einbeziehen.
Auch psychischer und körperlicher Gewalt unter Kindern und Jugendlichen etwa
durch Mobbing, Diskriminierung und Schikane (Bullying) an Schulen wollen wir
deutlich entgegentreten. Wir wollen einen mit einem eigenen Budget
ausgestatteten, landesweiten „Anti-Mobbing-Tag“ ins Leben rufen und die
Schirmherrschaft bei dem*der Ministerpräsident*in andocken. An diesem Aktionstag
sollen alle Schulen im Land Aktionen und Projekte durchführen, die darauf
zielen, das soziale Miteinander zu stärken. Kooperationen etwa mit Krankenkassen
und freien Trägern der Jugendarbeit sind dabei anzustreben. Denn Mobbing ist
eine leidvolle Erfahrung für viele Schüler*innen im Land.
Wir wollen junge Menschen ermutigen, sich für eine Familiengründung zu
entscheiden. Dafür sind gute Rahmenbedingungen nötig. Wir stehen für ein sicher
finanziertes und engmaschiges Netz von Beratungs- und Unterstützungsangeboten
für Eltern und Kinder ein.
Wir wollen Angebote erhalten und stärken, die Familien entlasten. Dazu gehören
vielfaltssensible, mehrsprachige Schwangerschaftsberatungsstellen, Familien- und
Erziehungsberatungsstellen sowie Familienzentren. Insbesondere Familienzentren,
die seit Jahren eine zu geringe Förderung erhalten, benötigen für ihren
Fortbestand ein Investitionsprogramm und verlässliche Förderung. Darüber hinaus stehen wir in der Verantwortung, die Folgen der Pandemie für die Kinder- und Jugendhilfe in den Blick zu nehmen. Beratungs- und Betreuungsleistungen müssen an den steigenden Bedarf angepasst werden.
Angebote der Elternbildung, Selbsthilfe, Sprach- und Gesundheitsförderung müssen
besser vernetzt werden und auch in der Fläche überall niedrigschwellig
erreichbar sein. Um diese Erreichbarkeit zu sichern, wollen wir zusätzliche
mobile Familien(bildungs-)arbeit fördern. Diese mobile Form der Beratung streben
wir auch für den Bereich der Schwangerschaftsberatungsstellen an. Alle
Beratungsstellen soll das Land aktiv unterstützen, ihre Angebote auch virtuell
anzubieten und ihre Onlinepräsenz auszubauen.
Wir fördern lokale Verantwortungsgemeinschaften. Sozialleistungen sollen nicht
weiterhin im Sinne eines Marktes organisiert werden mit entsprechender
Konkurrenz unter den Leistungserbringer*innen. Wir wollen grundsätzlich
umsteuern hin zu einem System geteilter und gemeinsam getragener, lokaler
Verantwortung. Regionale Akteur*innen, sei es im Bereich des Gesundheitssystems,
der Altenhilfe und Pflege oder der Eingliederungshilfe konkurrieren dann nicht
mehr um Klient*innen, sondern steuern in gemeinsamer Verantwortung die
Leistungserbringung in ihrer Region für die Menschen, die dort leben.
Wir wollen diese Entwicklung durch Modellprojekte anstoßen, bestehende
Leuchtturmprojekte prämieren und eine Diskussion auf Landesebene befördern und
moderieren.
Mit fortschreitender Digitalisierung, Automatisierung und Spezialisierung geht
der Umfang existenzsichernder Erwerbsarbeit zurück. Arbeit ist zwar weiterhin
vorhanden, diese kann aber nicht mehr von jedem*r ausgeführt werden und
gewährleistet oft nicht mehr den Lebensunterhalt. Der Mensch ist nicht
zuvörderst Erwerbstätiger, er selbst steht mit seinen Bedürfnissen und
Grundrechten im Mittelpunkt unserer Politik. Diesem Menschenbild wollen wir mit
einem bedingungslosen Grundeinkommen entsprechen.
Digitale Innovation benötigt auch soziale Innovation. Das aktuelle Sozialsystem
bestraft Menschen für Arbeitslosigkeit, indem Grundrechte eingeschränkt werden
und der*die betroffene Bürger*in teilweise entmündigt wird. Es setzt Menschen
unter Druck, jeder Erwerbsarbeit nachgehen zu müssen, ob diese existenzsichernd,
ökologisch nachhaltig oder sinnstiftend ist oder nicht. Ein Wandel in der
Sozialpolitik ist angesichts dessen dringend erforderlich. Das bedingungslose
Grundeinkommen bietet Chancen, die Menschen von diesem Druck zu befreien und
ihnen die Freiheit zu geben, sich abseits des engen Fokus auf Erwerbsarbeit in
unsere Gesellschaft einzubringen sowie kreative Potentiale und Eigenständigkeit
anzuregen.
Wir verstehen ein bedingungsloses Grundeinkommen daher als ein echtes soziales
Grundrecht. Für Arbeitnehmer*innen ist ein solches Grundeinkommen
gleichbedeutend mit einer Sicherung gegen Arbeitsplatzabbau, der infolge der
fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung eintreten kann oder schon
eingetreten ist. Wir befürworten daher Pilotprojekte zum bedingungslosen
Grundeinkommen in Sachsen-Anhalt.
Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind ein Armutsproblem, das in Sachsen-Anhalt
weitestgehend unter dem politischen Radar stattfindet. Verantwortlich für die
Wohnungslosenhilfe sind die Kommunen, die diese Aufgabe meist nach bestem Wissen
aber ohne Vernetzung und landesweite Strategie wahrnehmen. Unterstützt werden
sie dabei von verschiedenen Trägern und Privatinitiativen. Besonders Menschen,
die sich in die Regeln der kommunalen Unterbringungsorte nicht einfügen können
oder wollen fallen bei dieser Hilfe oft durchs Raster. Es fehlen belastbare
Zahlen zu Obdachlosigkeit in Sachsen-Anhalt.
Das Land Sachsen-Anhalt soll sehr zeitnah belastbare Zahlen über Obdachlosigkeit
und Wohnungsnot und die regionale Verteilung der Hilfeangebote im Land erheben.
Wir wollen, dass eine solche Erhebung als Wohnungsnotfallstatistik regelmäßig
stattfindet.
Das Land soll die Federführung für die Vernetzung und Kooperation aller Angebote
zur Prävention von Wohnungsnotfällen und zur Hilfe für wohnungslose Menschen
übernehmen. Wir wollen dafür eine regelmäßig tagende landesweite
Wohnungsnotfallhilfe-Konferenz schaffen, an der alle öffentlichen und freien
Träger der Wohnungslosenhilfe, private Initiativen, die Kommunen,
Vertreter*innen von Wohnungsbaugesellschaften und Energieversorgern,
Sozialwissenschaftler*innen, Suchtberatungen und weitere teilnehmen. Ziel soll
die landesweite gemeinsame Aufstellung von Wohnungsnotfall-Rahmenplänen, ihre
Umsetzung und Evaluation sein.
Nicht alle Menschen können auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeit finden, darum
halten wir einen Sozialen Arbeitsmarkt weiterhin für notwendig. Hier sollen
Menschen gesellschaftlich notwendige und wertvolle Arbeit leisten können und
dafür entlohnt werden. Wir wollen dafür Mittel des Europäischen Sozialfonds
(ESF) einsetzen. Außerdem soll das Land damit gezielte berufliche Weiterbildung
für Menschen mit Zugangshemmnissen zum ersten Arbeitsmarkt fördern.
Wir setzen uns für starke Tarifpartner ein. Betriebsräte sind Teil einer
demokratischen Unternehmenskultur. Wir wollen diese im öffentlichen Bereich
stärken. Die Novelle des Personalvertretungsgesetzes von 2019 blieb hinter den
Erwartungen zurück. Wir werden uns weiterhin für eine echte Gleichberechtigung
der Arbeitnehmer*innenvertretungen einsetzen. Wir wollen nach wie vor, dass in
Sachsen-Anhalt nur Unternehmen, die nachweislich Tariflöhne bezahlen,
öffentliche Aufträge erhalten sollen. Dazu soll das Vergabegesetz geändert
werden. Wir unterstützen die Bestrebungen auf europäischer Ebene, durch
Rechtsänderung die örtliche Tarifbindung von Vergabegesetzen zu ermöglichen.
Wir wollen Initiativen wie Freiwilligenagenturen und soziale Selbsthilfegruppen
unterstützen, freiwilliges Engagement fördern und soziale Teilhabe für die
Menschen verbessern. Wichtig sind uns dabei mobile, familienergänzende und
familienentlastende Dienste. Die Angebote der Freiwilligendienste wie FSJ und
FÖJ werden wir im bestehenden Umfang weiter ermöglichen.
Wir setzen uns für eine generationengerechte Gestaltung unserer Gesellschaft
ein. Die Belange der älteren Menschen dürfen nicht auf Probleme der Renten- und
Pflegekassen reduziert werden. Eine zunehmend älter werdende Bevölkerung
verändert die gesamte Gesellschaft.
Ältere Menschen haben andere Bedürfnisse als Jüngere, zum Beispiel bei Wohnen,
Mobilität, gesundheitlicher Versorgung, aber auch in öffentlichen Bereichen wie
Stadtplanung und Verkehr. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse zu bedienen und
das Lebensumfeld überall in Sachsen-Anhalt generationenverträglich und
diskriminierungsfrei zu gestalten gelingt nur, wenn alle Altersgruppen
Verantwortung für eine solidarische Gesellschaft übernehmen.
Uns ist es wichtig, dass die Menschen möglichst lange ihre Eigenständigkeit
behalten und aktiv am Leben teilhaben. Lange Eigenständigkeit reduziert das
Risiko der Pflegebedürftigkeit. Daher wollen wir die Selbstständigkeit im Alter
durch Teilnahme an Bildungsmöglichkeiten, Gedankenaustausch, soziale Kontakte,
Bewegung und Mobilität, nachbarschaftliche Hilfen und Freiwilligenengagement
fördern. Wir setzen uns für die inhaltliche und organisatorische
Weiterentwicklung und bessere Koordination der bestehenden Beratungs- und
Anlaufstellen ein, um den veränderten Anforderungen besser gerecht zu werden.
Dazu gehören die Alten- und Servicezentren, die Seniorenvertretungen, der*die
Senior*innenbeauftragte und -beirat in den Kommunen sowie die
Freiwilligenagentur. Der Landessenior*innenbeirat und kommunale Senior*innenräte
sind wichtige Partner unserer politischen Arbeit. Ein Landesprogramm „Leben im
Alter“ soll Initiativen sammeln und bündeln, sie anregen, wo sie fehlen und den
Menschen in Sachsen-Anhalt zugänglich machen. In Zusammenarbeit mit
Integrations- oder Ausländer*innenbeiräten der Kommunen wollen wir die
besonderen Bedürfnisse älterer Migrant*innen klären und gezielte Hilfsstrukturen
entwickeln. Ebenso wichtig ist eine LSBTIQ*-sensible Altenhilfe und Pflege, die
wir durch Einbindung von LSBTIQ*-Fachexpertise der Verbände sicherstellen
wollen.
Wir wollen, dass Pflegebedürftige, Pflegende und Angehörige durch
funktionierende kultursensible Versorgungs-, Beratungs- und Entlastungsangebote
unterstützt werden. Wir wollen die tatsächliche Wahlfreiheit der zu Pflegenden
und ihrer Angehörigen bezüglich ihrer Wohn- und Lebensform. Die ambulante
Pflege, Krankenhäuser und Kommunen sollen sich verstärkt dieser Herausforderung
stellen, um den Automatismus der Heimbetreuung älterer Menschen zu vermeiden.
Wir wollen alternative Wohn- und Betreuungskonzepte, die die Selbständigkeit der
Menschen erhalten, fördern. Dazu wollen wir das Wohn- und Teilhabegesetz des
Landes novellieren, um die verschiedenen Wohnformen im Alter rechtssicher zu
definieren und insbesondere die Heimaufsicht in ihrer Beratungsfunktion stärken.
Wir wollen, dass ältere Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause wohnen und
leben können. Dafür wollen wir die Pflege im Quartier weiter stärken. Das neu
geschaffene Beratungsangebot für Kommunen zur Quartiersentwicklung begrüßen wir
und wollen wir mit Angeboten in der Fläche weiter ausbauen. Wohnortnahe
dezentrale Pflegestellen sind mit einem Landesaktionsplan zu untersetzen und zu
befördern. Damit beugen wir Pflegebedürftigkeit, unnötigen
Krankenhausaufenthalten und erzwungenen Heimaufenthalten vor. Um
Heimeinweisungen nach Krankenhausaufenthalten zu reduzieren, wollen wir die
Tagespflege auch in Kliniken stützen. So kann der Übergang vom Krankenhaus in
die außerklinische Pflege mit mehr Ruhe und Selbstbestimmung geplant werden.
Die stetig steigenden Eigenanteile bei stationären Einrichtungen sind für viele
Bewohner*innen zunehmend problematisch. Gleichzeitig führt die Kopplung von
Qualitätsverbesserungen in der Pflege und der daraus folgenden einseitigen
Belastung der Bewohner*innen zu Zielkonflikten. Daher setzen wir uns
grundsätzlich für eine Pflegebürger*innenversicherung ein, um die Einnahmeseite
der Pflegeversicherung auf tragfähige Füße zu stellen. Auf dem Weg dahin braucht
es mindestens eine Deckelung der Eigenbeträge.
Wir treten für selbstbestimmtes Leben in allen Phasen ein, das gilt auch für das
Lebensende. Deshalb wollen wir das Bestattungsgesetz reformieren. Wir wollen,
bei erklärtem Willen, die Bestattung ohne Sarg und das Verstreuen der Totenasche
ermöglichen. Die zweite Leichenschau ist verbindlich einzuführen.
die seit Jahren eine zu geringe Förderung erhalten, benötigen für ihren Fortbestand ein Investitionsprogramm und verlässliche Förderung. Darüber hinaus stehen wir in der Verantwortung die Folgen der Pandemie für die Kinder- und Jugendhilfe in den Blick zu nehmen. Beratungs- und Betreuungsleistungen müssen an den steigenden Bedarf angepasst werden. Schon jetzt ist klar, dass sich Verhaltensauffälligkeiten und konflikthafte Familienstrukturen verfestigt haben und psychische Störungen erheblich angestiegen sind.
Wir wollen, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilhaben und ein Leben in Würde führen können, von der Geburt bis ans
Sterbebett. Unsere Sozialpolitik soll Bedingungen für eine angemessene
Grundsicherung und den Rahmen für eine selbstbestimmte Lebensführung schaffen.
Alle sollen die Unterstützung bekommen, die sie in ihrer persönlichen Situation
benötigen und die ihnen eine Perspektive für die eigene Entwicklung eröffnet.
Wir brauchen einen Wandel weg von einer nachsorgenden Sozialpolitik, die auf
bestehende Probleme und Defizite fokussiert ist, hin zu einer Sozialpolitik, die
präventiv wirkt.
Unsere Politik zielt auf eine Existenzsicherung von der Wiege bis zur Bahre. Die
soziale Sicherung bedeutet für uns, den Menschen über ihre gesamte Lebensspanne
hinweg den Grundbedarf zu garantieren. Die Maßnahmen dazu sind eine
sanktionsfreie und armutsfeste Kindergrundsicherung, Ausbildungsförderung und
Grundsicherung unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus. Wir unterstützen
Bundesratsinitiativen, die darauf abzielen.
Sozialpolitik muss lebenslang Chancen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung
eröffnen. Für die Entwicklung einer modernen Sozialpolitik müssen Menschen die
Möglichkeit haben, Netzwerke und individuelle Unterstützungsangebote kombinieren
zu können. Deshalb wollen wir weg vom Schubladensystem in der Beurteilung von
Menschen nach Syndromen und Symptomen hin zu individueller Beurteilung. Der
Mensch mit seiner persönlichen Situation und seinen persönlichen Bedürfnissen
gehört in den Mittelpunkt von Sozialplanung. Sachsen-Anhalt soll zunächst in
inklusiven Modellprojekten Case-Management als Instrument der Sozialplanung
erproben – mit dem Ziel es zum Standardinstrument der Sozialplanung zu machen.
Wir denken das System für unterstützende staatliche Leistungen von den
Bürger*innen mit einem Lebensmittelpunkt in Deutschland her, nicht in den
Rechtskreisen Arbeitsmarktinstrumente, Hilfe für Menschen mit Behinderungen,
Kinder- und Jugendhilfe, Kranken- und Pflegeversicherung. Dieses System der
verschiedenen Rechtskreise funktioniert oft unzureichend, weil viele Menschen
mehrfache, vielfältige und zusammenhängende Bedarfe haben. Wir wollen erreichen,
dass es in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt eine
rechtskreisübergreifende und mehrsprachige Beratungsstelle gibt und die
Leistungen im besten Falle rechtskreisübergreifend erbracht werden. Dafür wollen
wir Modellprojekte starten. Die entsprechenden Ausführungsgesetze zu den
Sozialgesetzbüchern sollen dafür überarbeitet werden. Sowohl im Bereich der
Hilfe für Ältere und Menschen mit Behinderungen wie auch im Bereich der Kinder-
und Jugendhilfe ist dies ein notwendiger Schritt, um den Leistungsbezug
bürger*innenfreundlicher zu gestalten, Synergien zwischen den Leistungssystemen
zu nutzen und Bürokratie letztlich abzubauen.
Derzeit lebt nahezu jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt in Armut. Dies bleibt
eine massive sozialpolitische Herausforderung, auf die wir antworten müssen.
Alle Kinder, die in Armut leben, sind vielfältigen Formen der Benachteiligung
ausgesetzt: Nachteile in der Schule und Ausbildung, schlechtere Gesundheit oder
Vorsorge, eingeschränkter Zugang zu Kultur sowie zu angemessenem Wohnraum. Die
Corona-Pandemie hat diese Situation in vielen Bereichen noch verschärft. Deshalb
setzen wir uns für eine armutsfeste allgemeine Grundsicherung für alle hier
lebenden Kinder - unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres
Aufenthaltsstatus ein und wollen dies auf Bundesebene voranbringen.
Neben dieser direkten finanziellen Bekämpfung von Kinderarmut und flankierenden
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die direkt auf die Einkommenssituation von
Eltern zielen, möchten wir insbesondere Schutzfaktoren gegen Armut befördern,
also Kinder und junge Menschen in ihrer Resilienz stärken, damit sie besser mit
widrigen Umständen umgehen können. Mit dieser Zielstellung wurden in dieser
Legislatur auf unser Betreiben hin 100 zusätzliche Stellen für die Förderung von
Kitas mit besonderen Bedarfen geschaffen. Basierend auf diesen Erfahrungen
wollen wir zusätzliche solcher Stellen flächendeckend im Land etablieren, um
insbesondere die vielfaltsbewusste Kitasozialarbeit als Instrument der
Frühförderung für eine chancengerechte soziale Teilhabe damit zu befördern. Als
weiteren Schutzfaktor gegen Kinderarmut wollen wir auch die Jugend(verbands-
)arbeit finanziell besserstellen und ausbauen. Wir wollen Präventionsketten
etablieren und verstetigen, beginnend mit den Frühen Hilfen bis hin zur
sozialpädagogischen Ausbildungsbegleitung.
Wir wollen den nächsten Kinder- und Jugendbericht zur Mitte der Legislatur mit
dem Schwerpunkt Kinderarmut vorlegen und auf Basis dessen das jugendpolitische
Programm fortschreiben.
Wir wollen die Ausbildungssituation von Alleinerziehenden und Personen mit
unterbrochenen Bildungsbiografien durch die Stärkung der Teilzeitausbildung
verbessern.
Alle Kinder haben eigene Rechte: Rechte auf Schutz, Förderung ihrer Entwicklung
sowie Beteiligung. Diese Rechte sind in der UN-Kinderrechtskonvention
festgehalten. Wir stehen für die konsequente Umsetzung und Einhaltung dieser
Rechte. Daher wollen wir im Bundesrat eine Initiative einbringen, um
Kinderrechte für alle in Deutschland lebenden Kinder auch im Grundgesetz zu
verankern. Ihre Rechte auf Bildung und individuelle Förderung müssen gestärkt
werden.
Kinderrechte müssen vor Ort erlebbar und realisiert werden. Wir setzen uns für
eine umfassende Beteiligung der Kinder bereits im Kindergarten ein. In der
Schule sollte die Drittelparität eingeführt werden
Der aktuelle Kinder- und Jugendbericht wie auch das jugendpolitische Programm
der Landesregierung formulieren u.a. auf Grundlage von Umfragen und Workshops
mit Jugendlichen zentrale Anliegen und Herausforderungen für die Jugendpolitik.
Damit ist unser Anliegen, als Politik mit Jugendlichen zu sprechen und nicht
immer nur über Sie, umgesetzt worden. Etwa für zentrale Bereiche wie Teilhabe
und politische Partizipation sowie Mobilität verweisen diese Berichte auf hohen
Handlungsbedarf. Mit Beginn der neuen Legislatur ist auf dieser Grundlage eine
eigenständige Jugendpolitik im Land konzeptionell und strategisch zu verankern,
finanziell zu untersetzen und im stetigen Austausch mit den jungen Menschen im
Land rückzukoppeln und fortzuentwickeln. Gelingende Jugendpolitik betrachten wir
auch als ein Haltefaktor gerade in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts. Es
braucht direkte Ansprache und Wertschätzung der jungen Generation, damit sie
ihren Geburtsort auch als positiv besetze Heimat erleben können."
Wir wollen, dass das Landeszentrum Jugend und Kommune dauerhaft gefördert wird.
Es soll seinen Aufgaben auskömmlich finanziert nachgehen können. Zur Stärkung
der Beteiligung junger Menschen vor Ort und insbesondere der Unterstützung der
Kommunen, die sich in diesem Sinne auf den Weg machen wollen, werden wir das
Kommunalverfassungsgesetz schärfen. Die Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten
via Satzung umfängliche Regelungen zur Beteiligung festzulegen wie bspw. auch
Rede- und Antragsrechte von Jugendgremien in kommunalen Parlamenten und die
Vorhaltung eines Budgets. Wir setzen uns dafür ein, eine verbindliche
Beteiligung bei kommunalen Planungsprozessen einzuführen. Dabei sind die
Qualitätskriterien des Landesnetzwerks „Runder Tisch kommunale
Jugendbeteiligung“ zu Grunde zu legen. Damit das Anrecht auf kommunale
Beteiligung einklagbar wird, wollen wir ein Verbandsklagerecht für demokratische
Jugendverbände gesetzlich ermöglichen. Zur Bündelung der Interessen von jungen
Menschen sollen kommunale Kinder- und Jugendgremien gefördert werden. Wir wollen
kommunale Kinder- und Jugendbeauftragte als verlässliche lokale
Ansprechpartner*innen schaffen.
Wir setzen uns dafür ein, dass das jugendpolitische Programm des Landes Sachsen-
Anhalt überarbeitet wird und künftig die LSBTIQ*-Jugendinteressen durch
Beteiligung von queeren Jugendgruppen und Jugendverbänden im Land
mitberücksichtigt sind.
Kinder und Jugendliche sind Menschen mit eigenen Hoffnungen, Wünschen und
Möglichkeiten, aber auch eigenen Forderungen, deren Sicht auf Gesellschaft und
Politik sich meist von jener der Erwachsenen unterscheidet. Wir wollen Kinder
und Jugendliche so oft wie möglich und altersgerecht in Entscheidungsprozesse
einbeziehen. Denn sie sind bereits jetzt und hier als Kinder und Jugendliche
Bürger*innen und Teil unseres politischen Gemeinwesens. Wir wollen daher das
aktive Wahlrecht bei allen Wahlen auf 14 Jahre absenken.
Wir unterstützen nach wie vor die Jugendverbände der demokratischen politischen
Parteien bei ihrem Wunsch nach Gründung eines Rings politischer Jugend (RPJ) in
Sachsen-Anhalt. Dieser Ring soll vom Land als wichtiger Ort politischer
Willensbildung und Vielfalt für junge Menschen finanziell ausgestattet werden,
wenn ein belastbarer gemeinsamer Vorschlag der Jugendverbände dazu vorliegt.
Die finanzielle Förderung der Jugendarbeit durch das Land orientiert sich
zurzeit einzig an der Anzahl junger Menschen in den Landkreisen und kreisfreien
Städten. Die Flächenkreise haben dadurch in den letzten Jahren eine Reduzierung
ihrer Förderung von bis zu 30 Prozent hinnehmen müssen. Diese Entwicklung wollen
wir stoppen. Dafür wollen wir Verteilmechanismen entwickeln, wie etwa einen
Flächenfaktor, so dass nicht allein die Anzahl junger Menschen, sondern auch
beispielsweise die Größe eines Landkreises die Verteilung der Fördergelder
bestimmt. Das verhindert den Teufelskreis von sinkenden Fördergeldern und einer
sinkenden Anzahl junger Menschen. Auch ist die Dynamisierung der Förderung der
Jugendarbeit der Inflation und der Tarifentwicklung anzupassen. Eine
bedarfsgerechte Förderung ist geboten, weil Jugend(verbands-)arbeit jungen
Menschen Raum gibt sich auszuprobieren und zu beweisen. Wir wollen, dass das
Land den Strukturaufbau von Jugendverbänden in den Kreisen unterstützt.
Die Jugendhilfeplanung ist feste Voraussetzung für Auszahlung der Gelder nach
dem Familienfördergesetz. Es muss kommunalaufsichtlich sichergestellt werden,
dass deren Umsetzung eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist.
Tarifgerechte Bezahlung muss in allen Bereichen sichergestellt sein.
Wir wollen Kommunen ermutigen, mehr öffentliche Räume für Kinder und Jugendliche
bereit zu stellen. Dies sind Freiräume ohne staatliche oder gesellschaftliche
Vordefinitionen, in denen so wenig wie möglich von außen gesteuert und
vorgegeben wird, die sie gestalten und in denen sie Erfahrungen sammeln und sich
erproben können. Dazu soll ihnen ein weitgehend selbst verwaltetes Budget zur
Verfügung stehen. Und wir wollen ihnen Expert*innen, zum Beispiel hauptamtliche
kommunale Kinder- und Jugendbeauftragte zur Seite stellen, die in der Lage sind,
ihnen diese Freiräume zu schaffen und zu erhalten, ihnen aber gleichzeitig Halt
und Hilfestellung bieten, wenn sie diese benötigen und einfordern.
Schulsportanlagen und Räume in Schulgebäuden sollen Kindern und Jugendlichen,
Verbänden und Vereinen auch außerhalb des Unterrichts offenstehen.
Die Jugendzentren unseres Landes wollen wir möglichst erhalten und durch mehr
Mitarbeiter*innen unterstützen. Gerade in den ländlichen Räumen brauchen
Jugendzentren längere Öffnungszeiten, um attraktiv für Kinder und Jugendliche zu
sein. Vor allem Mädchen wollen wir Räume geben, sich auszuprobieren und
Erfahrungen zu sammeln. Es fehlen sichere Räume – online wie offline. Mittels
Schulsozialarbeit, Unterstützung von Jugendclubs und selbst verwalteten Räumen
schaffen wir diese Räume und bestärken junge Menschen, vor allem Mädchen.“
Wir wollen in den Kommunen Wohnen, Arbeiten und Freizeit wieder enger
zusammenführen sowie Stadtteile und Innenstädte beleben und begrünen. Davon
profitieren alle Menschen. Zu diesem Zweck erwarten wir in den Kommunen eine
bessere Abstimmung der Schulentwicklungs-, Stadt- und der Jugendhilfeplanung.
Die nach dem neuen Familienförderungsgesetz beim Land einzureichende
Jugendhilfeplanung muss stärker genutzt werden, entsprechende Ziele
durchzusetzen.
Jugendbildungsstätten und Jugendherbergen sind ein wichtiger Ort für
außerschulische Bildung und Begegnung, aber auch für kostengünstige Urlaube für
Familien. Sie sind insbesondere durch die Corona-Pandemie in extreme Schieflage
gekommen. Das Land Sachsen-Anhalt soll gemeinsam mit den Akteur*innen einen
Strategieplan entwickeln. Dieser soll am gesellschaftlichen Bedarf orientiert
einen Weg aufzeigen, welche Einrichtungen dauerhaft erhalten werden können und
dabei auskömmlich finanziert werden müssen.
Eine Ombudsstelle für Kinder- und Jugendhilfe ist bisher lediglich als
Modellprojekt eingerichtet. Wir wollen, dass sie dauerhaft gefördert wird. Auch
wollen wir sie so ausbauen, dass sie landesweit wirken kann.
Die bundesweiten Fälle schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder, die in den
vergangenen Jahren aufgedeckt wurden, zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf.
Wir wollen im Land die Beratungsangebote im Bereich sexualisierter Gewalt
ausbauen. Dabei sollen vielfaltssensible Familienbildungsstätten, Kitas,
Schulen, Migrantenselbstorganisationen und Jugendämter eingebunden werden. Wir
wollen die Präventionsprojekte, die etwa mit der Berliner Charité initiiert
wurden, weiterführen und ausbauen. Im Rahmen der Strafverfolgung wollen wir die
Ermittlungen auf Landesebene bündeln und besser koordinieren, um den Kampf gegen
Kinderpornographie im Internet besser führen zu können. Aber auch sexualisierte
Gewalt und Übergriffe unter Jugendlichen wollen wir stärker als bisher in die
Präventionsarbeit einbeziehen.
Auch psychischer und körperlicher Gewalt unter Kindern und Jugendlichen etwa
durch Mobbing, Diskriminierung und Schikane (Bullying) an Schulen wollen wir
deutlich entgegentreten. Wir wollen einen mit einem eigenen Budget
ausgestatteten, landesweiten „Anti-Mobbing-Tag“ ins Leben rufen und die
Schirmherrschaft bei dem*der Ministerpräsident*in andocken. An diesem Aktionstag
sollen alle Schulen im Land Aktionen und Projekte durchführen, die darauf
zielen, das soziale Miteinander zu stärken. Kooperationen etwa mit Krankenkassen
und freien Trägern der Jugendarbeit sind dabei anzustreben. Denn Mobbing ist
eine leidvolle Erfahrung für viele Schüler*innen im Land.
Wir wollen junge Menschen ermutigen, sich für eine Familiengründung zu
entscheiden. Dafür sind gute Rahmenbedingungen nötig. Wir stehen für ein sicher
finanziertes und engmaschiges Netz von Beratungs- und Unterstützungsangeboten
für Eltern und Kinder ein.
Wir wollen Angebote erhalten und stärken, die Familien entlasten. Dazu gehören
vielfaltssensible, mehrsprachige Schwangerschaftsberatungsstellen, Familien- und
Erziehungsberatungsstellen sowie Familienzentren. Insbesondere Familienzentren,
die seit Jahren eine zu geringe Förderung erhalten, benötigen für ihren
Fortbestand ein Investitionsprogramm und verlässliche Förderung. Darüber hinaus stehen wir in der Verantwortung die Folgen der Pandemie für die Kinder- und Jugendhilfe in den Blick zu nehmen. Beratungs- und Betreuungsleistungen müssen an den steigenden Bedarf angepasst werden. Schon jetzt ist klar, dass sich Verhaltensauffälligkeiten und konflikthafte Familienstrukturen verfestigt haben und psychische Störungen erheblich angestiegen sind.
Angebote der Elternbildung, Selbsthilfe, Sprach- und Gesundheitsförderung müssen
besser vernetzt werden und auch in der Fläche überall niedrigschwellig
erreichbar sein. Um diese Erreichbarkeit zu sichern, wollen wir zusätzliche
mobile Familien(bildungs-)arbeit fördern. Diese mobile Form der Beratung streben
wir auch für den Bereich der Schwangerschaftsberatungsstellen an. Alle
Beratungsstellen soll das Land aktiv unterstützen, ihre Angebote auch virtuell
anzubieten und ihre Onlinepräsenz auszubauen.
Wir fördern lokale Verantwortungsgemeinschaften. Sozialleistungen sollen nicht
weiterhin im Sinne eines Marktes organisiert werden mit entsprechender
Konkurrenz unter den Leistungserbringer*innen. Wir wollen grundsätzlich
umsteuern hin zu einem System geteilter und gemeinsam getragener, lokaler
Verantwortung. Regionale Akteur*innen, sei es im Bereich des Gesundheitssystems,
der Altenhilfe und Pflege oder der Eingliederungshilfe konkurrieren dann nicht
mehr um Klient*innen, sondern steuern in gemeinsamer Verantwortung die
Leistungserbringung in ihrer Region für die Menschen, die dort leben.
Wir wollen diese Entwicklung durch Modellprojekte anstoßen, bestehende
Leuchtturmprojekte prämieren und eine Diskussion auf Landesebene befördern und
moderieren.
Mit fortschreitender Digitalisierung, Automatisierung und Spezialisierung geht
der Umfang existenzsichernder Erwerbsarbeit zurück. Arbeit ist zwar weiterhin
vorhanden, diese kann aber nicht mehr von jedem*r ausgeführt werden und
gewährleistet oft nicht mehr den Lebensunterhalt. Der Mensch ist nicht
zuvörderst Erwerbstätiger, er selbst steht mit seinen Bedürfnissen und
Grundrechten im Mittelpunkt unserer Politik. Diesem Menschenbild wollen wir mit
einem bedingungslosen Grundeinkommen entsprechen.
Digitale Innovation benötigt auch soziale Innovation. Das aktuelle Sozialsystem
bestraft Menschen für Arbeitslosigkeit, indem Grundrechte eingeschränkt werden
und der*die betroffene Bürger*in teilweise entmündigt wird. Es setzt Menschen
unter Druck, jeder Erwerbsarbeit nachgehen zu müssen, ob diese existenzsichernd,
ökologisch nachhaltig oder sinnstiftend ist oder nicht. Ein Wandel in der
Sozialpolitik ist angesichts dessen dringend erforderlich. Das bedingungslose
Grundeinkommen bietet Chancen, die Menschen von diesem Druck zu befreien und
ihnen die Freiheit zu geben, sich abseits des engen Fokus auf Erwerbsarbeit in
unsere Gesellschaft einzubringen sowie kreative Potentiale und Eigenständigkeit
anzuregen.
Wir verstehen ein bedingungsloses Grundeinkommen daher als ein echtes soziales
Grundrecht. Für Arbeitnehmer*innen ist ein solches Grundeinkommen
gleichbedeutend mit einer Sicherung gegen Arbeitsplatzabbau, der infolge der
fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung eintreten kann oder schon
eingetreten ist. Wir befürworten daher Pilotprojekte zum bedingungslosen
Grundeinkommen in Sachsen-Anhalt.
Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind ein Armutsproblem, das in Sachsen-Anhalt
weitestgehend unter dem politischen Radar stattfindet. Verantwortlich für die
Wohnungslosenhilfe sind die Kommunen, die diese Aufgabe meist nach bestem Wissen
aber ohne Vernetzung und landesweite Strategie wahrnehmen. Unterstützt werden
sie dabei von verschiedenen Trägern und Privatinitiativen. Besonders Menschen,
die sich in die Regeln der kommunalen Unterbringungsorte nicht einfügen können
oder wollen fallen bei dieser Hilfe oft durchs Raster. Es fehlen belastbare
Zahlen zu Obdachlosigkeit in Sachsen-Anhalt.
Das Land Sachsen-Anhalt soll sehr zeitnah belastbare Zahlen über Obdachlosigkeit
und Wohnungsnot und die regionale Verteilung der Hilfeangebote im Land erheben.
Wir wollen, dass eine solche Erhebung als Wohnungsnotfallstatistik regelmäßig
stattfindet.
Das Land soll die Federführung für die Vernetzung und Kooperation aller Angebote
zur Prävention von Wohnungsnotfällen und zur Hilfe für wohnungslose Menschen
übernehmen. Wir wollen dafür eine regelmäßig tagende landesweite
Wohnungsnotfallhilfe-Konferenz schaffen, an der alle öffentlichen und freien
Träger der Wohnungslosenhilfe, private Initiativen, die Kommunen,
Vertreter*innen von Wohnungsbaugesellschaften und Energieversorgern,
Sozialwissenschaftler*innen, Suchtberatungen und weitere teilnehmen. Ziel soll
die landesweite gemeinsame Aufstellung von Wohnungsnotfall-Rahmenplänen, ihre
Umsetzung und Evaluation sein.
Nicht alle Menschen können auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeit finden, darum
halten wir einen Sozialen Arbeitsmarkt weiterhin für notwendig. Hier sollen
Menschen gesellschaftlich notwendige und wertvolle Arbeit leisten können und
dafür entlohnt werden. Wir wollen dafür Mittel des Europäischen Sozialfonds
(ESF) einsetzen. Außerdem soll das Land damit gezielte berufliche Weiterbildung
für Menschen mit Zugangshemmnissen zum ersten Arbeitsmarkt fördern.
Wir setzen uns für starke Tarifpartner ein. Betriebsräte sind Teil einer
demokratischen Unternehmenskultur. Wir wollen diese im öffentlichen Bereich
stärken. Die Novelle des Personalvertretungsgesetzes von 2019 blieb hinter den
Erwartungen zurück. Wir werden uns weiterhin für eine echte Gleichberechtigung
der Arbeitnehmer*innenvertretungen einsetzen. Wir wollen nach wie vor, dass in
Sachsen-Anhalt nur Unternehmen, die nachweislich Tariflöhne bezahlen,
öffentliche Aufträge erhalten sollen. Dazu soll das Vergabegesetz geändert
werden. Wir unterstützen die Bestrebungen auf europäischer Ebene, durch
Rechtsänderung die örtliche Tarifbindung von Vergabegesetzen zu ermöglichen.
Wir wollen Initiativen wie Freiwilligenagenturen und soziale Selbsthilfegruppen
unterstützen, freiwilliges Engagement fördern und soziale Teilhabe für die
Menschen verbessern. Wichtig sind uns dabei mobile, familienergänzende und
familienentlastende Dienste. Die Angebote der Freiwilligendienste wie FSJ und
FÖJ werden wir im bestehenden Umfang weiter ermöglichen.
Wir setzen uns für eine generationengerechte Gestaltung unserer Gesellschaft
ein. Die Belange der älteren Menschen dürfen nicht auf Probleme der Renten- und
Pflegekassen reduziert werden. Eine zunehmend älter werdende Bevölkerung
verändert die gesamte Gesellschaft.
Ältere Menschen haben andere Bedürfnisse als Jüngere, zum Beispiel bei Wohnen,
Mobilität, gesundheitlicher Versorgung, aber auch in öffentlichen Bereichen wie
Stadtplanung und Verkehr. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse zu bedienen und
das Lebensumfeld überall in Sachsen-Anhalt generationenverträglich und
diskriminierungsfrei zu gestalten gelingt nur, wenn alle Altersgruppen
Verantwortung für eine solidarische Gesellschaft übernehmen.
Uns ist es wichtig, dass die Menschen möglichst lange ihre Eigenständigkeit
behalten und aktiv am Leben teilhaben. Lange Eigenständigkeit reduziert das
Risiko der Pflegebedürftigkeit. Daher wollen wir die Selbstständigkeit im Alter
durch Teilnahme an Bildungsmöglichkeiten, Gedankenaustausch, soziale Kontakte,
Bewegung und Mobilität, nachbarschaftliche Hilfen und Freiwilligenengagement
fördern. Wir setzen uns für die inhaltliche und organisatorische
Weiterentwicklung und bessere Koordination der bestehenden Beratungs- und
Anlaufstellen ein, um den veränderten Anforderungen besser gerecht zu werden.
Dazu gehören die Alten- und Servicezentren, die Seniorenvertretungen, der*die
Senior*innenbeauftragte und -beirat in den Kommunen sowie die
Freiwilligenagentur. Der Landessenior*innenbeirat und kommunale Senior*innenräte
sind wichtige Partner unserer politischen Arbeit. Ein Landesprogramm „Leben im
Alter“ soll Initiativen sammeln und bündeln, sie anregen, wo sie fehlen und den
Menschen in Sachsen-Anhalt zugänglich machen. In Zusammenarbeit mit
Integrations- oder Ausländer*innenbeiräten der Kommunen wollen wir die
besonderen Bedürfnisse älterer Migrant*innen klären und gezielte Hilfsstrukturen
entwickeln. Ebenso wichtig ist eine LSBTIQ*-sensible Altenhilfe und Pflege, die
wir durch Einbindung von LSBTIQ*-Fachexpertise der Verbände sicherstellen
wollen.
Wir wollen, dass Pflegebedürftige, Pflegende und Angehörige durch
funktionierende kultursensible Versorgungs-, Beratungs- und Entlastungsangebote
unterstützt werden. Wir wollen die tatsächliche Wahlfreiheit der zu Pflegenden
und ihrer Angehörigen bezüglich ihrer Wohn- und Lebensform. Die ambulante
Pflege, Krankenhäuser und Kommunen sollen sich verstärkt dieser Herausforderung
stellen, um den Automatismus der Heimbetreuung älterer Menschen zu vermeiden.
Wir wollen alternative Wohn- und Betreuungskonzepte, die die Selbständigkeit der
Menschen erhalten, fördern. Dazu wollen wir das Wohn- und Teilhabegesetz des
Landes novellieren, um die verschiedenen Wohnformen im Alter rechtssicher zu
definieren und insbesondere die Heimaufsicht in ihrer Beratungsfunktion stärken.
Wir wollen, dass ältere Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause wohnen und
leben können. Dafür wollen wir die Pflege im Quartier weiter stärken. Das neu
geschaffene Beratungsangebot für Kommunen zur Quartiersentwicklung begrüßen wir
und wollen wir mit Angeboten in der Fläche weiter ausbauen. Wohnortnahe
dezentrale Pflegestellen sind mit einem Landesaktionsplan zu untersetzen und zu
befördern. Damit beugen wir Pflegebedürftigkeit, unnötigen
Krankenhausaufenthalten und erzwungenen Heimaufenthalten vor. Um
Heimeinweisungen nach Krankenhausaufenthalten zu reduzieren, wollen wir die
Tagespflege auch in Kliniken stützen. So kann der Übergang vom Krankenhaus in
die außerklinische Pflege mit mehr Ruhe und Selbstbestimmung geplant werden.
Die stetig steigenden Eigenanteile bei stationären Einrichtungen sind für viele
Bewohner*innen zunehmend problematisch. Gleichzeitig führt die Kopplung von
Qualitätsverbesserungen in der Pflege und der daraus folgenden einseitigen
Belastung der Bewohner*innen zu Zielkonflikten. Daher setzen wir uns
grundsätzlich für eine Pflegebürger*innenversicherung ein, um die Einnahmeseite
der Pflegeversicherung auf tragfähige Füße zu stellen. Auf dem Weg dahin braucht
es mindestens eine Deckelung der Eigenbeträge.
Wir treten für selbstbestimmtes Leben in allen Phasen ein, das gilt auch für das
Lebensende. Deshalb wollen wir das Bestattungsgesetz reformieren. Wir wollen,
bei erklärtem Willen, die Bestattung ohne Sarg und das Verstreuen der Totenasche
ermöglichen. Die zweite Leichenschau ist verbindlich einzuführen.
Beschluss LDR im März
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